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Förderung von Kindern und Jugendlichen mit Migrationshintergrund

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Durch Messung <strong>von</strong> Hirnaktivitäten wurde z.B. er<strong>mit</strong>telt, dass sich frühkindliche Zweisprachigkeit<br />

insbesondere positiv auf die Fähigkeit zur Ausbildung grammatischer Strukturen in beiden<br />

Sprachen auswirken kann; für die Ausbildung semantischer Strukturen hingegen scheint das<br />

Erwerbsalter weniger bedeutsam (vgl. Wartenburger u.a. 2003). Positive Effekte sind vor allem<br />

hinsichtlich des Erwerbs metasprachlicher Fähigkeiten er<strong>mit</strong>telt worden. Daher stellt zweisprachiges<br />

Aufwachsen – wenn nicht sehr ungünstige Lebensbedingungen vorhanden sind – eine<br />

positive Voraussetzung für die Entwicklung der gesamten sprachlichen <strong>und</strong> geistigen Leistungen<br />

eines Kindes dar. Dies erklärt sich nicht zuletzt daraus, dass den <strong>Kindern</strong> ihre sprachliche<br />

Umwelt nicht mühelos für die Aneignung sprachlicher Mittel zur Verfügung steht. Sie sind<br />

vielmehr permanent vor besondere Aufgaben gestellt, die einsprachige Kinder nicht so früh <strong>und</strong><br />

intensiv bewältigen müssen. Um diese Anforderungen anzudeuten: Da<strong>mit</strong> sich bilinguale Kinder<br />

in ihrer sprachlichen Umwelt orientieren können, müssen sie lernen, zu unterscheiden, dass sie<br />

es <strong>mit</strong> mehreren Sprachen zu tun haben. Weil die Kinder im Kontakt <strong>mit</strong> Personen sind, die nicht<br />

– wie sie selbst – zweisprachig sind, müssen sie differenzieren lernen, wann, unter welchen<br />

Umständen <strong>und</strong> <strong>mit</strong> wem sie in welcher ihrer Sprachen kommunizieren können. Um je nach<br />

Erfordernis zwischen den Sprachen wechseln zu können, müssen sie sich „Kriterien“ aneignen,<br />

die es ihnen erlauben, ihre sprachlichen Mittel der einen oder anderen Sprache zuzuordnen. Sie<br />

sind zudem stärker als monolinguale Kinder gefordert, Strategien zu entwickeln, die ihnen über<br />

Verstehens- oder Ausdrucksnot hinweghelfen. Für die Erfüllung solcher Aufgaben ist die<br />

Aktivierung <strong>von</strong> metasprachlichen Fähigkeiten <strong>von</strong>nöten: <strong>von</strong> Kompetenzen, die nicht un<strong>mit</strong>telbar<br />

dem Bestand einer konkreten Sprache zuzuordnen, sondern sprachübergreifender Art sind.<br />

Einsprachige Kinder machen besonders intensive Erfahrungen <strong>mit</strong> solchen Aufgaben eigentlich<br />

erst in dem Moment, in dem sie in gesteuerte Sprachausbauprozesse geraten – spätestens also<br />

<strong>mit</strong> dem Eintritt in die Schule <strong>und</strong> der Anforderung des Lesen- <strong>und</strong> Schreibenlernens, die dazu<br />

zwingt, <strong>von</strong> intuitiv beherrschten sprachlichen Mitteln zu abstrahieren, sprachliche Mittel<br />

bewusst, systematisch <strong>und</strong> reflektiert einzusetzen – also metasprachliche Fähigkeiten zu benutzen<br />

(vgl. Bia"ystock 1986). Dass zweisprachige Kinder metasprachliche Fähigkeiten sehr früh<br />

entfalten, gilt als förderliche Voraussetzung für jeden weiteren Spracherwerb <strong>und</strong> die kognitive<br />

Entwicklung (vgl. List 1997).<br />

Wird allein spracherwerbstheoretisches Wissen zugr<strong>und</strong>e gelegt, so kann zusammenfassend<br />

festgestellt werden: Das zweisprachige Aufwachsen führt zu einem Sprachbesitz, der sich sowohl<br />

<strong>von</strong> dem einsprachiger Kinder in der Herkunftsregion als auch <strong>von</strong> dem einsprachig im Einwanderungsland<br />

aufwachsender Kinder ohne Migrationshintergr<strong>und</strong> unterscheidet. Die Beobachtungen<br />

<strong>von</strong> „abweichendem“ sprachlichen Verhalten bilingualer Kinder sind also zutreffend. Sie<br />

zeigen aber keineswegs un<strong>mit</strong>telbar eine gefährdete oder defizitäre Sprachentwicklung an. Die<br />

äußerlich bemerkbaren Anzeichen dafür, dass die Sprachen, aus denen sich das Kind seinen<br />

Sprachbesitz komponiert, <strong>mit</strong>einander in Kontakt stehen, besagen nichts anderes, als dass hier<br />

eine diesen Umständen entsprechende normale Sprachentwicklung geschieht, deren vorläufiges<br />

Ergebnis eine „Muttersprache: Zweisprachigkeit“ ist: eine andere Form der Komposition des<br />

Sprachbesitzes, die nicht einfach Kenntnisse <strong>und</strong> Kompetenzen in zwei Sprachen, sondern auch<br />

sprachliche Mittel umfasst, die aus synergetischen Effekten eines doppelten Erstsprach- oder<br />

verschränkten Erst- <strong>und</strong> Zweitspracherwerbs erwachsen. Prinzipiell sind <strong>mit</strong> zwei- oder mehrsprachigem<br />

Aufwachsen eine Reihe <strong>von</strong> Vorteilen für die sprachliche <strong>und</strong> kognitive Entwicklung<br />

verb<strong>und</strong>en. Allerdings bedarf es, um diese günstigen Voraussetzungen weiterzuentwickeln, ihrer<br />

expliziten Berücksichtigung <strong>und</strong> <strong>Förderung</strong> in den Prozessen gesteuerten sprachlichen Lernens,<br />

die im Elementarbereich oder spätestens in der Schule einsetzen.<br />

Geschieht eine solche zugleich rücksichtsvolle <strong>und</strong> zielgerichtete <strong>Förderung</strong>, so kann da<strong>von</strong><br />

ausgegangen werden, dass zweisprachig aufwachsende Kinder zu umfassender Kommunikati-<br />

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