08.12.2012 Aufrufe

5 Jahre - Landesinitiative StadtBauKultur NRW

5 Jahre - Landesinitiative StadtBauKultur NRW

5 Jahre - Landesinitiative StadtBauKultur NRW

MEHR ANZEIGEN
WENIGER ANZEIGEN

Sie wollen auch ein ePaper? Erhöhen Sie die Reichweite Ihrer Titel.

YUMPU macht aus Druck-PDFs automatisch weboptimierte ePaper, die Google liebt.

einem sehr bewussten, semantischen Umgang mit diesen<br />

geführt. Analog zur Sprachensituation diskutierte man<br />

Architektursprachen mit inhaltlichen Fixierungen und Zusammenhängen.<br />

So gesehen war eigentlich das 19. Jahrhundert,<br />

der Historismus, schon die Revolution der Moderne.<br />

Die Heimatschutzbewegungen, die sich gegen die erste<br />

Phase der Industrialisierung, der bautechnischen und typologischen<br />

Entwicklung und angeblichen architektonischen<br />

Gleichmacherei im 19. Jahrhundert wandten, haben nicht<br />

nur nationale Traditionen entdeckt – und wenn sie nicht<br />

vorhanden waren, konstruiert –, sondern auch regionale.<br />

Analog zu den zahlreichen Uniformen, die die Strukturen<br />

der Gesellschaft sichtbar machten (nicht nur im Militär),<br />

kamen die Trachten der Talschaften, der Stände und „Landmannschaften“.<br />

Analog wurde auch die regionalistische<br />

Architektur eingekleidet, so dass von Gottfried Semper bis<br />

Adolf Loos ein „Prinzip der Bekleidung“ diskutiert werden<br />

konnte.<br />

Die eigentliche Frage liegt also eher auf einer Wahrnehmungs-<br />

und Interpretationsebene: Was passt in eine Region<br />

und was passt nicht? Und solche Interpretationen sind natürlich<br />

abhängig von Denkweisen, Ideologien, politischen<br />

Absichten oder einfachen ökonomischen Interessen. Wenn<br />

eine Region für den Tourismus aufbereitet wird, werden selten<br />

echte, also meist falsche Interpretationen einer Region<br />

ins Spiel gebracht. Es werden leicht kopier- und multiplizierbare<br />

Klischees, plakative Elemente erzeugt, die mit der Vielfalt<br />

traditioneller Bauformen und -strukturen nichts mehr zu<br />

tun haben. So wurde der Regionalismus in Europa zu einem<br />

internationalen Phänomen, das – paradoxerweise – über<br />

die Regionen hinweg gerade das Gegenteil von dem produzierte,<br />

was es erreichen wollte: statt Vielfalt und kulturellen<br />

Landschaftsbezug eine öde Gleichmacherei.<br />

Deshalb geht es heute nicht mehr um die formale Interpretation von Regionen,<br />

um stilistische Einkleidung, um die Interpretation von kulturellen Situationen,<br />

sondern um ihre Erneuerung aus den heutigen Bedingungen. Die<br />

Moderne des 20. Jahrhunderts, obwohl aus einer Ablehnung des Stildenkens<br />

des 19. Jahrhunderts geboren, ist immer wieder, angefangen vom Heimatstil,<br />

Expressionismus, Funktionalismus, Internationalen Stil bis zur Post- und<br />

Spätmoderne, in die stilistische Falle getappt. Erfindungen, neue Gedanken<br />

und Entwicklungen wurden fast gleichzeitig formal repetiert, das heißt, der<br />

Historismus ist ein „systemimmanentes Phänomen“ der Moderne. Vielleicht<br />

wissen wir auch zu viel über das Medium Architektur, so dass uns immer<br />

wieder die Erinnerung einen Streich spielt, dass uns Sehgewohnheiten und<br />

das damit verbundene Zitieren den klaren Blick auf die Probleme verdecken.<br />

Außerdem sind unsere Erinnerungen in Bildern gespeichert, in Bildserien,<br />

und diese sind von ihren formalen Strukturen (also den „Stilen“) nicht zu<br />

trennen.<br />

Obwohl in Österreich, abgesehen von Tourismuszonen in den Alpen, der<br />

Begriff der Region kein aktuelles (modernes) Thema war, ist in der architektonischen<br />

Entwicklung nach 1945 eine merkwürdig vitale Regionalisierung<br />

festzustellen. Ein Impuls lag sicher in den vier Besatzungszonen von 1945-55,<br />

in denen die Besatzer – Amerikaner, Engländer, Franzosen und „Russen“<br />

(die Sowjetunion) – eine sehr unterschiedliche Kulturpolitik betrieben. Langzeitwirkung<br />

hat aber die politische Struktur Österreichs, wobei die Kulturpolitik<br />

Ländersache ist, sich also sehr unterschiedlich in den neun Bundesländern<br />

entwickelt. In vier Bundesländern gibt es Architekturhochschulen<br />

(Wien, Graz, Linz und Innsbruck), und inzwischen gibt es in allen Bundesländern<br />

sehr unterschiedlich strukturierte und benannte „Architekturhäuser“,<br />

die wesentlichen Anteil an der Erforschung, Aufarbeitung und permanenten<br />

Verbreitung von Architektur auf allen möglichen Ebenen haben. Allen Ländern<br />

gemeinsam ist, dass der Regionsbegriff ein offener, zeitzugewandter,<br />

nicht selbstdarstellerischer oder gar rückwärtsgewandter, formal inszenierter<br />

ist. Die regionalen Unterschiede entwickeln sich nicht entlang touristischer<br />

Selbstdarstellungsprogramme – so sehr dies der Tourismus beständig<br />

versucht –, sondern aufgrund der ökonomischen und kulturellen Ressourcen,<br />

unter den Bedingungen der Länder und vor allem aufgrund der personellen<br />

Aktivitäten in der Architektenschaft. Dazu gehört auch eine langsam anwachsende<br />

öffentliche Architekturrezeption (ständige Berichte in den<br />

Tageszeitungen, Ausstellungen, Besichtigung von Baustellen und sehenswerten<br />

Bauten, Atelierbesuche etc.), die in den verschiedenen Bundesländern,<br />

unseren „Regionen”, sehr unterschiedlich ausgebildet ist.<br />

115

Hurra! Ihre Datei wurde hochgeladen und ist bereit für die Veröffentlichung.

Erfolgreich gespeichert!

Leider ist etwas schief gelaufen!