5 Jahre - Landesinitiative StadtBauKultur NRW
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Durch die einheitliche Verkehrsinfrastruktur und deren<br />
Gestaltung sind sich viele Orte in ganz Deutschland ähnlich<br />
geworden. Trotzdem ist es immer noch möglich, mit Hilfe<br />
einiger Grundkenntnisse und in moderner archäologischer<br />
Erkundungsweise auf den Ursprung einer Siedlung zu<br />
stoßen.<br />
Seit der Industrialisierung vor einem Jahrhundert, der Zerstörung<br />
durch den Zweiten Weltkrieg vor sechzig <strong>Jahre</strong>n<br />
und der Nachkriegsplanung vor vierzig <strong>Jahre</strong>n hat die Baukultur<br />
in Deutschland drei grundlegende Veränderungen<br />
erfahren. Erst allmählich haben sich die Bewohner an die<br />
konvulsiven Veränderungen gewöhnt. Dass Verlusten aus<br />
diesen Veränderungen, ob persönlich erfahren oder über<br />
Vergleiche wie „vorher-nachher” vermittelt, auch mit kollektiver<br />
Trauer begegnet wird, ist nicht nur seit der Klage<br />
gegen die Unwirtlichkeit der Städte bekannt, sondern findet<br />
insbesondere seit Anfang des neuen Jahrhunderts in den<br />
Rufen nach Rekonstruktion von diesem oder jenem Gebäude<br />
seinen baukulturellen Niederschlag.<br />
Mit ihrer geschichtsabweisenden Grundhaltung hat die<br />
klassische Moderne seit dem Wirtschaftswunder durch ihre<br />
objektbezogene Gestaltung für weitere Brüche, Diskontinuitäten<br />
in der Kulturlandschaft gesorgt. Die Stadtlandschaft<br />
der Solitäre, der freistehenden Bauten umgeben von Abstandsgrün,<br />
durchzogen von standardisierten Straßen,<br />
Schnellstraßen und Stadtautobahnen, bestimmt das Weichbild<br />
der deutschen, der nordrhein-westfälischen Siedlungen.<br />
Jede Siedlung für sich, auch in ihrer heutigen modernistischen<br />
Ab- und Umwandlung, ist Beleg einer Baukultur,<br />
wobei Kultur als das räumlich-zeitliche Phänomen einer<br />
Lebensweise breit aufgefasst wird. Baukultur ist die Summe<br />
aller bestehenden Teile, seien sie freistehende Einzelbauten<br />
oder ganze zusammenhängende Siedlungsstrukturen. Wie<br />
jeder Bestand bedürfen auch sie der Pflege, sie sind, ohne<br />
jegliche qualitative Bewertung ihrer einzelnen gestalterischen<br />
Erscheinung, die Grundlage der heutigen Kulturlandschaft.<br />
Gestaltqualität<br />
Verspüren wir in Bezug auf die einen oder anderen Teile der uns umgebenden<br />
Baukultur Unbehagen, so kann dieses Gefühl durch die mangelnde<br />
Integrität gewisser Bereiche der Baukultur wie auch einzelner Objekte<br />
gespeist sein. Mangelnde Integrität wird zum Beispiel im städtebaulichen<br />
Kontext durch die beziehungslose Anhäufung von Solitären sichtbar.<br />
Gestaltqualität zeichnet sich durch den Einklang zwischen bewusster Intention,<br />
die einer Gestaltung innewohnen soll, und ihrer materiell-physischen<br />
Verwirklichung aus. Jedem Bauwerk liegt eine Intention zu Grunde, es<br />
erfüllt eine Absicht, es regelt gesellschaftliche und kulturelle Beziehungen.<br />
Ein Bauwerk tut dies durch seine materiell-physische Anwesenheit.<br />
Mit unseren Bauwerken, eigentlich mit jedem Werk, errichten wir so einzelne<br />
Teile eines gesamten Kulturraumes. Oder, wie Martin Heidegger es<br />
zusammengefasst hat: „Werksein heißt: eine Welt aufstellen.”<br />
(Heidegger 1960).<br />
Wir projizieren selbst durch das kleinste Werk unsere individuellen Vorstellungen<br />
jener Welt, in der dieses Werk sich eingliedert. Dagobert Frey,<br />
der Wiener Kunsthistoriker, hat diese Projektion eines sich eingliedernden<br />
Werks als Ausdruck eines vom Werkschaffenden bestimmten Realitätscharakters<br />
bezeichnet (Frey 1946).<br />
Jedes Werk fügt sich demnach einerseits in einen Kontext ein, es hat aber<br />
ebenfalls die Kraft, diesen Kontext, wie umfangreich auch immer, sowohl in<br />
seiner physischen Anwesenheit als auch in seiner inhaltlichen, ideellen<br />
Absicht zu verändern.<br />
Jedes Werk, auch jedes Bauwerk, nimmt Stellung zu aktuellen Bedingungen<br />
und schafft gleichzeitig die materielle Grundlage für eine Veränderung, wie<br />
umfangreich oder gering diese auch nach dem tatsächlichen physikalischen<br />
Ausmaß des Bauwerks sein mag und wie kraftvoll es den Benutzer oder<br />
Betrachter auch in dessen kultureller, geistiger Vorstellungskraft beeinflussen<br />
mag.<br />
Mit dem Einfügen in ein bestehendes Umfeld handelt der Werkschaffende<br />
vordergründig verantwortungsvoll gegenüber den materiellen wie kulturellen<br />
Wertevorstellungen.<br />
Über die Bedienung des materiellen und kulturellen Vordergrunds hinaus,<br />
drückt ein Werk aber noch etwas aus. Es stellt sich in eine Reihe von ähnlichen<br />
Werken des gleichen Typs und bildet so ein Glied in einem Diskurs<br />
über diese Werke und, noch grundsätzlicher, über das gemeinsame Wesen<br />
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