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5 Jahre - Landesinitiative StadtBauKultur NRW

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Als die Architektur entdeckt wurde<br />

Und auf einmal herrschte große Verwirrung. Entlang der<br />

letzten fünfzehn <strong>Jahre</strong> lösten sich alle allgemeinverbindlichen<br />

innerarchitektonischen Kriterien der Architektur auf. Nicht<br />

anders als die Gesellschaft, deren Lebensstile und Kulturen<br />

sich zunehmend fragmentierten. Manche wollten noch zwischen<br />

einer transnationalen kapitalistischen und einer subalternen<br />

lokalen Klasse unterscheiden, obwohl die hybride<br />

Existenz zum Daseinsprinzip geworden war. Im Design verschwindet<br />

die „gute Form“ und kommt als saisonaler Lifestyle<br />

wieder.<br />

Und auf einmal war die Postmoderne als Stil zumindest im<br />

inneren Diskurs der Architektur erstarrt. Sie fand ihr letztes<br />

Aufbäumen im Dekonstruktivismus und wurde abgelöst<br />

von Computerprogrammen, die zumindest auf den Bildschirmen<br />

– und mit viel Bastelei auf den Baustellen – den<br />

Colani-Kitsch der sechziger <strong>Jahre</strong> zum mainstream einer<br />

heutigen Formsprache exhumierten. Wie sagte schon Friedrich<br />

Kittler in den achtziger <strong>Jahre</strong>n: „Das Werkzeug bestimmt<br />

das Sprechen.“<br />

So kann heute niemand mehr unterscheiden, ob es sich bei<br />

all dem was heute auf dem so genannten Markt ist, das heißt<br />

die rund 100 wichtigsten internationalen Architekturmagazine<br />

dekoriert, um gute oder schlechte Architektur, um<br />

wichtige oder unwichtige Bauten oder Projekte handelt.<br />

Alles beschleunigt den Kulturbetrieb, ist ein zumindest<br />

mediales Event oder findet einfach nicht statt.<br />

Vor einigen <strong>Jahre</strong>n noch beklagte ich bei einer Podiumsdiskussion<br />

im Netherlands Architecture Institut, dass jeder<br />

Architekt heute seine Individual-Theorie vor sich her trage,<br />

ohne sie am Bau zu erkennen, und wurde von einem Vordenker<br />

der amerikanischen Universitätsdebatte belehrt, dass<br />

die Theorie eben zum Marketing dazugehöre. Das ist nun<br />

wieder vorbei: Die Theorie wurde von Business-Plänen ersetzt<br />

und die jungen Architekten sind dank Studium aller Lehrbücher<br />

über Architekturmarketing noch vor dem ersten Bau<br />

mediale Superstars. Vor einiger Zeit wurde dem Architekturzentrum<br />

Wien von einer Kunstgalerie das Archiv einer jungen,<br />

berühmten boys and girls group angeboten, die sich noch<br />

vor dem ersten richtigen Bauauftrag schon wieder aufgelöst<br />

hatte.<br />

Wir befinden uns heute in einer Übergangsphase. Aber alle<br />

Auguren sagen uns, dass wir uns für die gesamte Zukunft<br />

nur mehr in Übergangsphasen befinden werden. Übergangsphase<br />

heute bedeutet zunächst einmal einen anhaltend<br />

postmodernen Zustand. Ein Zustand, der alle alten Trennungen<br />

von Hochkultur und Alltagskultur verlassen hat, der keiner<br />

einzelnen Ideologie einen Charakter der Ausschließlichkeit<br />

zubilligen kann.<br />

Übersetzt auf die Kulturtechnik der Architektur ist die Trennung<br />

von kulturell wichtigen Künstlerarchitekten und den<br />

marktkonformen Architekturfirmen, die noch in den achtziger<br />

<strong>Jahre</strong>n in der Szene klar war, heute aufgehoben. Wenn<br />

beispielsweise Peter Cook, der ewige Avantgardist, nach<br />

seiner ersten Bauerfahrung seine Zukunft als Design-Berater<br />

von HOK, einer der weltgrößten Business-Architekturfirmen,<br />

sieht, dann sollen wir darin nicht die tragische Selbstaufgabe<br />

eines alten Mannes erkennen, sondern die veränderten<br />

Rahmenbedingungen der Architektur akzeptieren.<br />

„Great Atttention, Less Seriosity“<br />

Great attention, less seriosity spottet Rem Koolhaas heute<br />

und hat verdammt recht damit. Die Diamanten der Star-<br />

Architekten verbreiten sich wie spam mails über den Erdball.<br />

Sie folgen alle der vielzitierten Ökonomie der Aufmerksamkeit,<br />

obwohl sie vielfach diese wegen Übersättigung gar<br />

nicht mehr erfüllen können. Und die great attention hat<br />

sich ausgebreitet und ausgeweitet. Schon erklimmen spekulative<br />

Freizeitlandschaften wie die Neunutzung der Zeppelin-<br />

Halle und das Design von Formel 1-Strecken die ernsthaften<br />

Architekturmagazine. Michael Eisners Disney-Architektur-<br />

Strategie hat das bereits in den neunziger <strong>Jahre</strong>n vorgelebt.<br />

Warum wohl hat dann Arata Isozaki sein Team Disney Building<br />

in Orlando von 1991 niemals selbst besichtigt? Immerhin<br />

das architektonisch beste Gebäude, das Disney jemals<br />

zusammengebracht hat.<br />

Aber was wäre das Gegenteil davon? Less attention – Great<br />

seriosity? Von Prince Charles und den Kriers, den anhaltend<br />

stilistisch Postmodernen wie Robert Stern oder Michael<br />

Graves, bis hin zum amerikanischen New Urbanism und<br />

Vittorio Magnago Lampugnanis neuem Konservativismus<br />

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