5 Jahre - Landesinitiative StadtBauKultur NRW
5 Jahre - Landesinitiative StadtBauKultur NRW
5 Jahre - Landesinitiative StadtBauKultur NRW
Sie wollen auch ein ePaper? Erhöhen Sie die Reichweite Ihrer Titel.
YUMPU macht aus Druck-PDFs automatisch weboptimierte ePaper, die Google liebt.
5. Mehr als Mitreden: Auf wem Weg zur res publica?<br />
„Ich bitte die Bürgerinnen und Bürger, sich in die Gestaltung ihres Wohnumfeldes,<br />
ihres Stadtquartiers oder ihrer Innenstadt einzumischen. Baukultur<br />
wird letztendlich aus Engagement gemacht. Sie hat nur eine Chance,<br />
wenn sie als aufklärerisches und demokratisches Projekt verstanden wird“<br />
(Vesper in: MSWKS 2001b, S.13). Die Bitte des Ministers richtet sich nicht<br />
an die Fachleute, an Politik und Verwaltung, sondern an die Bürgerinnen<br />
und Bürger. Sie sollen, wie er an anderer Stelle (in: Boll u.a. 2004, S. 9)<br />
ergänzt, „die Zukunft der Stadt wieder selbst in die Hand“ nehmen. Hier<br />
geht es nicht mehr um Öffentlichkeitsarbeit der Verbände, um transparente<br />
Wettbewerbsverfahren, verständliche Information über Planungsabsichten<br />
und sinnvolle Beteiligungsangebote, sondern um die andere Seite der gleichen<br />
Medaille: um das Engagement der Bürgerinnen und Bürger, ihr eigenes<br />
Handeln, ihren Beitrag zur Entwicklung der Städte.<br />
Skeptische Geister könnten hier einwenden, solche Forderungen resultierten<br />
aus der Einsicht in die begrenzten Gestaltungsmöglichkeiten öffentlicher<br />
Akteure und hätten lediglich den Blick frei gemacht für die Potenziale der<br />
lokalen Wirtschaft und Gesellschaft. Das ist sicher nicht von der Hand zu<br />
weisen – und doch weniger als die halbe Wahrheit. Michael Vesper verweist<br />
darauf, dass es hier auch um ein demokratisches Projekt geht. Und wenn<br />
davon die Rede ist, dass die Bürgerinnen und Bürger die Zukunft der Städte<br />
wieder selbst in die Hand nehmen sollen, dann ist das auch historisch<br />
betrachtet sehr berechtigt: Schließlich haben die vielfältigen gemeinschaftsbezogenen<br />
Aktivitäten der lokalen Zivilgesellschaft eine lange Tradition. Die<br />
allerdings muss heute erinnert und in zeitgemäße, neue Formen übersetzt<br />
werden. Die Arbeit daran hat eben erst begonnen.<br />
Letztlich geht es um etwas sehr Altmodisches: Die Stadt soll wieder als res<br />
publica, als gemeinsames Anliegen verstanden werden. Es gilt, deutlicher<br />
noch als bisher, die unter allgemeinem Wohlklang von „Kommunikation<br />
und Baukultur” verborgenen Defizite sichtbar zu machen, nachdrücklich auf<br />
die Notwendigkeit hinzuwirken, eigene Positionen und Rollen zu verändern<br />
(und dies nicht immer nur von den anderen zu verlangen) und vor allem<br />
eine Veränderung der Praxis zu ermöglichen. Aber es ist bei all der Mühsal,<br />
die damit verbunden ist, wichtig, die Alltagsarbeit auf die Ziele hin zu<br />
bedenken, die mit ihr verfolgt werden. Denn es geht eben nicht nur um die<br />
Verbesserung des Marketings hier oder die kommunikative Lösung eines<br />
Konfliktes dort. Es geht um Kultur, um Politik, um Demokratie, einfacher<br />
gesprochen: um den Umgang mit gemeinsamen Aufgaben und Anliegen.<br />
Dieses Verhältnis zwischen weit reichenden Bezügen, Utopien womöglich,<br />
und alltäglichen kleinen Schritten hat niemand so schön beschrieben wie<br />
der Schweizer Schriftsteller Urs Widmer (2002, S. 85). Ihm gebührt daher<br />
das letzte Wort:<br />
„Ach ja. Ach je. Natürlich ist das eine Utopie. Aber Utopien sind nicht dazu<br />
da, auf der Stelle Wirklichkeit zu werden. Jetzt und sofort und genau so. Sie<br />
dienen aber durchaus dazu, auch fern liegende Möglichkeiten und Hoffnungen<br />
einmal zu bedenken. Damit wir dann, im wirklichen Leben, in jene Richtung<br />
gehen können, sei der Weg noch so mühselig und seien die Schritte<br />
noch so klein. Immerhin gehen wir dann nicht in die Gegenrichtung“.<br />
Literatur<br />
Bischoff, A. u.a.: Informieren, Beteiligen, Kooperieren (Neubearbeitung).<br />
Dortmund 2005<br />
Boll, J. u.a. (Hg): Bürger machen Stadt. Zivilgesellschaftliches Engagement<br />
in der Stadterneuerung – Ein Projektbuch. Dortmund 2004<br />
BMVBW (Bundesministerium für Verkehr, Bau- und Wohnungswesen)<br />
(Hg): Statusbericht Baukultur in Deutschland. Berlin 2001<br />
Corboz, A.: Die Kunst, Stadt und Land zum Sprechen zu bringen.<br />
Bauwelt Fundamente Bd. 123. Basel 2002<br />
Eagleton, T.: Was ist Kultur? Eine Einführung. München 2001<br />
Förderverein Deutsches Architekturzentrum u.a.: BauKultur.<br />
Auf dem Weg zur Nationalen Stiftung. Berlin / Bonn 2002<br />
Göschel, A.: Baukultur – Chancen und Defizite eines Programms symbolischer<br />
Politik. in Fritz-Händeler, R., Möller, B. (Hg): Politikfeld Baukultur.<br />
Potsdam 2003, S. 37 ff<br />
Fritz-Händeler, R. Möller, B. (Hg): Politikfeld Baukultur. Potsdam 2003<br />
Haupt, E., Kubitza, M. (Hg): Marketing und Kommunikation für Architekten.<br />
Basel 2002<br />
MSWKS (Ministerium für Städtebau und Wohnen, Kultur und Sport des<br />
Landes Nordrhein-Westfalen) (Hg): Memorandum <strong>StadtBauKultur</strong> <strong>NRW</strong>.<br />
Düsseldorf 2001<br />
MSWKS (Ministerium für Städtebau und Wohnen, Kultur und Sport<br />
des Landes Nordrhein-Westfalen) (Hg): <strong>Landesinitiative</strong> <strong>StadtBauKultur</strong> <strong>NRW</strong> –<br />
Dokumentation der Auftaktveranstaltung am 9.11.2001. Düsseldorf 2001<br />
Negt, O.: Was ist Kultur? Vortrag zum 10. Bestehen des kulturwissenschaftlichen<br />
Studiengangs an der Universität Bremen vom 29.11.1996. unter<br />
http://www.dickinson.edu/departments/germn/glossen/heft3/negt.html<br />
Reuther, I., Stiess, S., Schiffers, B.: Baukultur in ExWoSt – Ein Verständigungsversuch.<br />
Kurzfassung der Dokumentation im Auftrag des Bundesamtes für<br />
Bauwesen und Raumordnung. Bonn/Leipzig 2004, S. 5<br />
Rösener, B., Selle, K. (Hg): Kommunikation gestalten. Beispiele und<br />
Erfahrungen aus der Praxis für die Praxis. Dortmund 2005<br />
Selle, K.: Was? Wer? Wie? Warum? Voraussetzungen und Möglichkeiten<br />
einer „nachhaltigen“ Kommunikation. Dortmund 2000<br />
Selle, K. u.a.: Kommunikative Elemente der Planungskultur. Der Beitrag des<br />
Landes zur Qualitätsentwicklung vor Ort. Neuauflage (Erstdruck Herbst 2001)<br />
Aachen 2004<br />
unter http://www.pt.rwth-aachen.de/publikationen/pt_materialien.php<br />
Selle, K.: Planen, Steuern, Entwickeln. Über den Beitrag öffentlicher Akteure<br />
zur Entwicklung in Stadt und Land. Dortmund 2005<br />
Vesper, M.: Rede anlässlich des Kongresses „Stadt machen! Ziele und<br />
Projekte“ am 1. Februar 2001, Zeche Zollverein Essen (unveröff. Ms.)<br />
Widmer, U.: Das Geld, die Arbeit, die Angst, das Glück. Zürich 2002<br />
71