5 Jahre - Landesinitiative StadtBauKultur NRW
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Christoph Brockhaus<br />
Mit der industriellen Revolution und der enormen Expansion der Großstädte<br />
triumphiert die Künstlichkeit des Lebens über den natürlichen Lebensrhythmus,<br />
verdrängt das funktionale Kunstlicht das gestaltende Naturlicht. Seit<br />
1960 akzelleriert dieser Prozess, seitdem mischt sich aber auch die Lichtkunst<br />
in das dominierende Lichtdesign ein. Als immaterielles Element steht<br />
das Licht traditionell im polaren Spannungsfeld von Natur und Technik,<br />
Sakralisierung und Profanierung. Da Licht emotionalisiert wie kein zweites<br />
bildnerisches Medium, haben es auch Werbung und Marketing für sich entdeckt.<br />
Wenn nun das Licht im Stadtraum immer begehrter wird, es immer<br />
ökonomischer, technisch raffinierter und ästhetisch vielseitiger eingesetzt<br />
werden kann, entsteht bei unkoordinierter und unkontrollierter Planung<br />
und Umsetzung eine katastrophale Licht-Kakophonie. Um diesen Prozess zu<br />
stoppen und notwendigerweise eine Bewusstseinsveränderung im Umgang<br />
mit Lichtgestaltungen im öffentlichen Raum herbei zu führen, hat die Initiative<br />
<strong>StadtBauKultur</strong> <strong>NRW</strong> durch ein ganzes Bündel von Maßnahmen, durch<br />
Diskussionen und Wettbewerbe, Ausstellungen und Publikationen zur Qualifizierung<br />
dieses Themas beigetragen.<br />
Den Anfang zur Qualifizierung von Nordrhein-Westfalen als „Land des Lichts“<br />
haben vor allem die ZERO-Künstler Heinz Mack, Otto Piene und Günther<br />
Uecker in den 1960er und 1970er <strong>Jahre</strong>n geleistet. Mit ihren Werken aus<br />
monochromem und farbprismatischem, statischem, strukturiertem und<br />
kinetischem Licht sowie mit ihren Licht-Aktionen setzten sie dem verrußten<br />
Himmel des Ruhrgebiets das reine Lichtkunstwerk entgegen und beteiligten<br />
sich mit ihrer Lichtkunst schon früh an Auftritten vergleichbarer internationaler<br />
Bewegungen im Ausland.<br />
Auch die Licht-Landmarken der zwischen 1989 und 1999 organisierten<br />
Internationalen Bauausstellung Emscher Park erwuchsen aus spezifischen<br />
Auseinandersetzungen mit dem Ruhrgebiet. Nachdem die rot glühenden<br />
Himmel der Kohle- und Stahlproduktion allmählich verlöschten, sollten weithin<br />
sichtbare Landmarken der Lichtkunst und des Lichtdesigns den Transformationsprozess<br />
ins postindustrielle Zeitalter markieren, zugleich Traditionen<br />
aufgreifen und neue Orientierungen vermitteln.<br />
Die Initiative <strong>StadtBauKultur</strong> <strong>NRW</strong> hat in den vergangenen fünf <strong>Jahre</strong>n durch<br />
ihre Impulse und Förderungen eine bundesweit einmalige Licht-Bewegung<br />
in den Städten des Landes bewirkt, Vorhandenes strukturiert und dokumentiert,<br />
weitere Initiativen entzündet. Allein am Landeswettbewerb „Künstlerisch<br />
orientierte Lichtprojekte im öffentlichen Raum“ im Jahr 2001 haben<br />
sich die Städte und Gemeinden mit 55 Beiträgen beteiligt, 14 Projekte<br />
konnten gefördert und inzwischen teilweise realisiert werden. Wichtiger<br />
noch: Dieser Wettbewerb und seine damit verbundene Diskussion haben<br />
über die Verwaltungen hinaus Gesellschaften, Bürgerinitiativen, Hochschu-<br />
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Kunstlicht und Lichtkunst<br />
im Stadtraum<br />
len, Museen und Ausstellungshäuser angeregt, selber Lichtthemen<br />
des öffentlichen Raums aufzugreifen und damit zur<br />
Qualifizierung der Situation beizutragen. Dabei hat die Erfahrung<br />
gelehrt, dass nicht nur die Fachwelt, sondern auch<br />
die Bürgerschaft in hohem Maße an diesem Thema interessiert<br />
ist, zahlreich die angebotenen Veranstaltungen besucht<br />
und leidenschaftlich mitdiskutiert.<br />
Als Höhepunkte dieser ersten Licht-Runde dürfen festgehalten<br />
werden: Düsseldorf, Köln und weitere Städte haben<br />
begonnen, zusammenhängende Lichtkonzepte mit hohem<br />
gestalterischem Anspruch zu entwickeln; in vielen Städten<br />
des Landes inspirieren öffentliche Einzelprojekte die weitere<br />
Licht-Diskussion; das weltweit einzigartige und von herausragenden<br />
Lichtkünstlern unserer Zeit bespielte Zentrum<br />
für internationale Lichtkunst Unna kann inzwischen einen<br />
deutsch-englischen Bestandskatalog anbieten; die Nachbarstadt<br />
Lüdenscheid hat sich durch ihre Licht-Routen, die<br />
temporär viele Kräfte und die Bevölkerung mobilisieren, zur<br />
Stadt des Lichts gemausert; das Ausstellungsprojekt<br />
„7 Türme – 7 Lichter“ in Paderborn hat in einer konservativen<br />
Stadt einen ganz neuen Dialog zwischen historischer Stadtarchitektur<br />
und zeitgenössischer Kunst initiiert; die Publikation<br />
„Am Rande des Lichts – Inmitten des Lichts. Lichtkunst<br />
und Lichtprojekte im öffentlichen Raum Nordrhein-Westfalens“<br />
darf als kritische Bestandsaufnahme für zukünftige<br />
Planungen gewertet und benutzt werden; das Handbuch<br />
zur Ausstellung „Stadtlicht – Lichtkunst“ der Stiftung Wilhelm<br />
Lehmbruck Museum in Duisburg hält schließlich vielerlei<br />
Anregungen bereit für ein differenzierteres Verständnis und<br />
eine überlegtere Anwendung des breiten Spektrums an<br />
zeitgenössischer internationaler Lichtkunst im öffentlichen<br />
Raum. Diese Publikation diskutiert zahlreiche Vorschläge zur<br />
Qualifizierung zukünftiger Lichtgestaltungen im öffentlich<br />
zugänglichen Raum unserer Städte. Im Kern geht es um<br />
folgende zwei Fragen, die nur interdisziplinär überzeugend<br />
behandelt werden können: Wie lässt sich das Naturlicht als<br />
gestalterischer Faktor wieder sinnvoller und intensiver in die<br />
Stadtgestaltung integrieren? Wie lassen sich notwendiges<br />
Sicherheits- und Funktionslicht, Lichtkunst und werbendes<br />
Lichtdesign überzeugender als bislang koordinieren, um die<br />
Attraktivität unserer Erlebnisräume in der Stadt für unsere<br />
Bürger zu aktualisieren und zu erhöhen?