5 Jahre - Landesinitiative StadtBauKultur NRW
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Zeuge Nummer 5: Laotse in seinem wahrscheinlich im<br />
sechsten Jahrhundert vor unserer Zeitrechnung verfassten<br />
Text „Tao Te King”<br />
In Vers 60 des „Tao Te King” schreibt Laotse: „Eine grosse<br />
Stadt zu regieren ist wie das Braten von kleinen Fischen.”<br />
In der taoistischen Praxis heisst das: Handeln mit hoher<br />
Achtsamkeit. Damit ist für mich in ganz wenigen Worten<br />
gesagt, was die Essenz des Städtebaus ist: Aufmerksamkeit<br />
in Bezug auf die Bedürfnisse der Menschen, aber auch in<br />
Bezug auf die Qualitäten des Ortes. Wir können und müssen<br />
die Stadt nicht neu erfinden. Wir können und müssen uns<br />
aber darum kümmern, dass sie nicht dumpf und banal oder<br />
agressiv und autistisch wird. Dazu brauchen wir Innovation<br />
und Kreativität, verknüpft mit Methoden, Verfahren und<br />
Instrumenten, die für diese Haltung günstige Voraussetzungen<br />
schaffen. Das sind Methoden und Verfahren, die von einem<br />
Dialog zwischen verschiedenen Partnern bestimmt sind. Das<br />
sind Instrumente, die Produkte eines Dialoges sind, die so<br />
weit als möglich offen bleiben und nicht primär verrechtlichen,<br />
sondern Visionen konsolidieren. Ich erwähne als Beispiel<br />
ein Verfahren in Gummersbach für das ehemalige Produktionsgelände<br />
der Kesselbauschmiede Steinmüller, das<br />
im Rahmen der Regionale 2010 zum Wettbewerb „Stadt<br />
macht Platz – <strong>NRW</strong> macht Plätze” durchgeführt wurde.<br />
Mit der Umstrukturierung des Geländes verfolgt die Stadt<br />
Gummersbach das Ziel, hier einen neuen, unverwechselbaren<br />
Entwicklungsschwerpunkt zu etablieren. Der Wettbewerb<br />
war Bestandteil eines intensiven öffentlichen Prozesses,<br />
in dem die Öffentlichkeit immer wieder beteiligt und<br />
ernst genommen wurde.<br />
Ich habe im Titel unsere Situation als „pubertär” bezeichnet.<br />
Damit will ich darauf hinweisen, das wir mit radikal Neuem<br />
konfrontiert werden; Neues, das komplexer und anspruchsvoller<br />
zu sein scheint, dass aber auch auf tiefgreifende Transformation<br />
hinweist. Um die Angst und Unsicherheit über die<br />
Veränderung in Vertrauen und Mut zu Neuem zu verwandeln,<br />
braucht es in erster Linie einen intensiven Dialog zwischen<br />
den Partnern. Gestaltungsbeiräte, konkurrierende<br />
Verfahren mit klugen Preisgerichten, Auszeichnung guter<br />
Bauten, Zusammenarbeit mit den Medien sind wichtige Träger<br />
eines solchen Dialogs. Der Dialog kann aber nur entstehen,<br />
wenn zwischen den Partnern ein gegenseitiges Vertrauen<br />
existiert. Da haben sich in der Vergangenheit häufig tiefe<br />
Gräben aufgetan, die es gilt wieder zuzuschütten. Wenn<br />
zum Beispiel in einem Jahrbuch des BDA die Rede davon<br />
ist, „dass es unerlässlich sei, das Heft wieder in die Hand zu<br />
nehmen”, weil die Politik unfähig sei, die gegenwärtige<br />
Situation zu bewältigen, dann zeugt das für mich – zurückhaltend<br />
formuliert – von einem sehr überholten Verständnis<br />
der Aufgabe und Rolle des Architekten.<br />
Und schließlich die Zeugen Nummer 6 und 7: Kaiser Fuchi in seinem vor<br />
fünftausend <strong>Jahre</strong>n verfasstem „Buch der Wandlungen”, auch „I Ging”<br />
genannt, und Rem Koolhaas in seinem 1995 erschienenen Buch „S,M,L,XL”<br />
Das Hexagramm 10 Kien/Dui handelt vom Verhalten und gibt folgendes<br />
Urteil: „Auftreten auf des Tigers Schwanz. Er beisst den Menschen.”<br />
In einer neuen Übersetzung des „I Ging“ wird dieses Hexagramm folgendermaßen<br />
kommentiert: „Kosmisch verstanden bedeutet ‚einfaches Auftreten’,<br />
auf Situationen zu antworten anstatt ihr Urheber zu sein.”<br />
Oder in der Sprache von Rem Koolhaas: „Und wenn wir nun ganz einfach<br />
erklärten, die Krise existiere nicht, und unser Verhältnis zur Stadt neu definierten,<br />
um viel mehr ihre Unterstützer und einfache Subjekte als ihre<br />
Schöpfer zu sein?”<br />
Literatur<br />
Jullien, F.: Der Umweg über China. Berlin 2002<br />
Gebser, J.: Ursprung und Gegenwart. München 1988<br />
Jung, C.G.: Psychologische Typologie. Bd. 3 Typologie<br />
der elfbändigen Jung-Kassette. München 2001<br />
Wilber, K.: Wege zum Selbst. München 1986<br />
Laotse: Tao Te King. München 1996<br />
Anthony, C. K., Moog, H.: Buch der Wandlungen. I Ging. 2004<br />
Koolhaas, R.: S,M,L,XL. Rotterdam 1995<br />
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