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5 Jahre - Landesinitiative StadtBauKultur NRW

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Das Deutschlandschaftpanorama fand in gewisser Hinsicht<br />

bei seiner Heimkehr nach Deutschland in Nordrhein-Westfalen<br />

genau den richtigen Kontext. Als hybrider Rundblick<br />

auf eine sehr heterogene Auswahl architektonischer Projekte<br />

der letzten vier <strong>Jahre</strong> in Deutschland verschiebt diese<br />

Neuinterpretation des Panoramas bewusst den Brennpunkt<br />

auf Stadtrandlandschaften der Gegenwart: die konturlosen<br />

und ästhetisch ambivalenten Gegenden jenseits der Stadtgrenzen,<br />

die von Wohnsiedlungen durchzogenen Ballungsräume<br />

aus Lagerhallen, Einkaufszentren und Gewerbehöfen.<br />

Nach letzten Schätzungen befinden sich neben den zahlreichen<br />

ehemaligen Industrieflächen in Nordrhein-Westfalen<br />

60.000 Hektar Brachflächen, 10.000 Hektar Militärflächen<br />

und 900.000 m 2 in Shopping Malls. Ein passender Ort also<br />

für den peripheren Blick.<br />

Die anhaltende Ausuferung der Städte sowie deren zu oft<br />

unbeachteten inneren Peripherien manifestieren sich in der<br />

Ausstellung als zeitgenössischer Blick – eine Wiederkehr des<br />

dirty realism.<br />

Durch die Kombination aus diesem eher profanen Blick und<br />

der Verwendung eines klassischen, aus der Romantik gewohnten<br />

Mediums wurde ein Wechselspiel zwischen Realität<br />

und Fiktion, zwischen dem „Heimeligen” und dem Unheimlichen<br />

in der Deutschlandschaft möglich. Eine Anspielung<br />

auf das Gewohnte und Gewöhnliche und eine Zusammenführung<br />

transformativer Architekturprojekte erzeugten bei<br />

den Betrachtern des Panoramas genau die Ambivalenz und<br />

das Unbehagen, mit denen man die städtische Peripherie<br />

wahrnimmt. Mimo’s Dönerladen, Schrebergärten und sichtbar<br />

schlecht gebaute Eigenheime wurden teils mit einem<br />

Schmunzeln, teils als Irritation neben den neuen Architekturen<br />

mit entdeckt.<br />

Die zahlreichen Interviews mit den beteiligten Architekten<br />

ergaben für mich eine beeindruckende Haltung zu diesem<br />

wuchernden Terrain – nicht ohne eine gewisse Ironie hatte<br />

ich den Untertitel „Epizentren der Peripherie” verfasst, denn<br />

es ist einer Generation von Architekten und Planern in<br />

Deutschland sehr bewusst, dass man lediglich einen sehr<br />

begrenzten Einfluss auf diese Ballungsräume ausüben kann.<br />

Fertighaus-Produzenten, die Aldi/WalMart-Giganten der Konsumgesellschaft<br />

und Gewerbesteuern bestimmen viel eher<br />

die surrealen Nebeneinanderstellungen dieser Randgebiete.<br />

Um Transformationen im vor- und randstädtischen Umfeld vorzunehmen,<br />

muss man andere Sehgewohnheiten entwickeln. Julia Bolles Wilson brachte<br />

das Potenzial einer Wahrnehmungsverschiebung auf den Punkt: „Die Peripherie<br />

stellt ein zeitgenössisches Gefühl dar, in dem wir uns wohl fühlen;<br />

seine inhärenten Qualitäten bedeuten eine Art Freiheit. Es ist ein unhierarchisches<br />

Feld, in dem wir uns bewegen können, und bietet eine Anonymität,<br />

die Städte nicht mehr bieten können.”<br />

Eine Mischung aus Pragmatismus und Ironie, eine Bescheidenheit im Maßstab<br />

der in der Deutschlandschaft eingebetteten Projekte haben wir als<br />

„Architektur in homöopathischer Dosis” bezeichnet. Kulturelle Parameter<br />

und Bauvorschriften werden neu ausgelegt, Paradigmen verschoben.<br />

Architektur auf den zweiten Blick<br />

Als Fotocollage spielt das Panorama mit allen Möglichkeiten einer fotografischen<br />

Darstellung von gebauter Architektur. Wichtig war dennoch, die ausgewählten<br />

Projekte soweit wie möglich mit ihrer realen Umgebung in die<br />

Deutschlandschaft einzubetten, um die sehr präzisen Anspielungen auf den<br />

bestehenden Kontext und die gewohnten Bauformen deutlich zu machen.<br />

Statt die neuen Architekturansätze als ikonenhafte Solitäre auszustellen,<br />

wird für die Ausstellung die Fotografie als eine Art reality check und die<br />

Collage selbst als Aussage über das eher bezugslose Nebeneinander am<br />

Rande des Urbanen.<br />

Die teils subtilen, teils polemischen Umnutzungen und Umkehrungen gewohnter<br />

Baunormen und Materialien stechen aus dem Deutschlandschaftsbild<br />

hervor – verleugnen und verschönern jedoch nicht die Realitäten ihres<br />

Umfelds.<br />

Bei der Vielfalt der Themen und Ansätze, die in der Ausstellung unterzubringen<br />

waren, stellte sich in der Konzeptionsphase heraus, dass man mit einer<br />

scheinbar nahtlosen Fotocollage eine fast heile Welt präsentieren würde,<br />

eine täuschende Homogenität. Der Bruch in der Wahrnehmung – das<br />

eigentliche Ziel der Ausstellung – und das Fokussieren auf eine andere Art<br />

von Stadt erforderten einen Bruch im Panorama selbst. Somit bauten wir<br />

hinter dem Panorama eine zweite, disruptive Schicht, die als „Quellcode”<br />

in die Gestaltung eingreift: Auszüge aus dem Baugesetz sowie Hinweise<br />

auf die Pendlerpauschale und Eigenheimzulage weisen in beleuchteten Einblicken<br />

auf die oft restriktiven Bedingungen hin, mit denen jeder Architekt<br />

und Städteplaner in Deutschland konfrontiert wird.<br />

Letztendlich soll die Ausstellung zu weiteren Dialogen führen und die Wanderschaft<br />

entlang dieses etwas anderen Deutschlandbildes spielerisch-ambivalent<br />

bleiben. Die fragmentarischen Zitate aus Gesprächen und Interviews<br />

an der Sitzlandschaft deuten auf eine Auseinandersetzung mit der Peripherie,<br />

die noch lange nicht vollendet ist.<br />

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