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5 Jahre - Landesinitiative StadtBauKultur NRW

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oder den Berliner Steinbaumeistern reicht die Palette derer,<br />

die eine Rückkehr zur Konvention des Bauens fordern.<br />

Jawohl, es wäre dann „Baukultur“, wenn sie sich durchsetzen<br />

könnte. Wir hätten dann wieder verbindliche Konventionen,<br />

wir hätten dann wieder, in neuen Spuren nur und<br />

das ist wichtig, harmonische Dörfer und Städte. Wir hätten<br />

den Verlust der Kultur kompensiert. Aber welche Kultur hätten<br />

wir dann? Die Kultur des Films „The Truman Show“,<br />

einer künstlichen Idylle, die zwar zufällig, aber doch treffend<br />

im realen New Urbanism-Pilotprojekt Seaside in Florida<br />

gedreht wurde. Das ist nicht gerade die great seriosity, die<br />

gefordert wird. Eine gegenwärtige Wiederkehr im Historischen<br />

ist sicherlich kein heutiges Leben im falschen Bewusstsein,<br />

wie viele Ewigmodernen gerne behaupten würden.<br />

Schließlich ist mit dem kompletten Wiederaufbau der Akropolis<br />

oder dem Weiterbau an der Sagrada Familia längst<br />

auch symbolisch das Leben im historisch Inszenierten beschlossen<br />

– und bleibt doch nur eine touristische Marginalie.<br />

Die great attention hat jedenfalls der Architektur eine bislang<br />

nicht bekannte öffentliche und mediale Aufmerksamkeit<br />

gebracht. Mit allen Konsequenzen. Eine davon ist das<br />

Ende der Expertenkultur. Kritik und Vermittlung finden sich<br />

entweder in der Rolle des Marketing-Agenten wieder oder<br />

weichen aus in die Paralleltexte der cultural studies, um von<br />

dort aus das Phänomen der Architektur an sich zu umkreisen.<br />

Individuelle kritische „Wertungen“ von Bauten und<br />

Positionen entpuppen sich als das, was sie seit langem auch<br />

in anderen Kulturdisziplinen sind: als neiderfüllte private<br />

Befindlichkeiten mit dem Odeur des pastorenhaft Unbefriedigten<br />

behaftet.<br />

Das ist die logische Folge des Verlusts aller verbindlichen<br />

Kriterien. Die kämpferische Moderne der Architektur hat<br />

sich im letzten Jahrhundert geboren und vollendet. Keinem<br />

stilistischen Code, keiner künstlerischen Ideologie folgend,<br />

aus reiner Gewohnheit baut sie einfach in der weltweiten<br />

Mittelschicht der Bauindustrie-Dienstleister weitgehend<br />

bewusstlos nach wie vor vor sich hin. Noch immer ausgestattet<br />

mit der Autorität des Berufsstandes des Architekten,<br />

die für sich das Versprechen auf eine bessere Welt behauptet.<br />

Würden wir den Architekten glauben, dann wäre alles besser,<br />

wäre es nur von Architekten geplant.<br />

Provokante Gegenfrage: Würden wir alle in einer Welt leben<br />

wollen, die nur von sogenannten engagierten Qualitätsarchitekten<br />

geschaffen wurde?<br />

74<br />

Wo ist der Nullpunkt?<br />

Diese kursorische Einschätzung der gegenwärtigen architektonischen Situation<br />

ist die Vorbedingung einer Suche nach dem Nullpunkt, von dem aus<br />

die Vermittlung von Architektur immer wieder beginnen muss. Und ich<br />

möchte das an den Aufgaben und Potenzialen einer Institution der Architekturvermittlung<br />

darstellen, die einfach zwischen der Entwicklung der Disziplin<br />

und der Aufmerksamkeit der Öffentlichkeit steht. Als ich am Beginn<br />

bemerkte, dass man sich auch eine Welt ohne Architektur vorstellen möge,<br />

so bezog sich das auch auf die tatsächliche Situation der Vermittlung. Wir<br />

haben die paradoxe Situation, dass zwar alle Menschen von Architektur<br />

betroffen sind, alle auch irgendwie beim Bauen – das sie als Architektur<br />

bezeichnen – mitreden zu können glauben, aber absolutes Unverständnis<br />

und vollständige Unkenntnis über Architektur vorherrschend sind. Geschichte<br />

und Terminologie der Architektur sind nach wie vor ein relativ absolutes<br />

Minderheitenprogramm.<br />

Wir hatten mit dem Architekturzentrum Wien die großartige und einmalige<br />

Situation und Voraussetzung, geradezu experimentell fast alle Möglichkeiten<br />

heutiger Architekturvermittlung zu erproben. Architektur als kulturelle<br />

Verpflichtung, wir sagten als Lebensmittel, zu propagieren. Ausstellungen<br />

selbstverständlich, aber auch Workshops, Exkursionen, Kinderprogramme,<br />

Partnerschaften mit der Wirtschaft, Diskussionen, Präsentationen, Publikationen<br />

und die extensive Nutzung dessen, was seit Mitte der neunziger <strong>Jahre</strong><br />

über das Internet vermittelbar ist. Wien war und ist dafür ein heißes Pflaster.<br />

Sich und damit der Architektur Gehör zu verschaffen, ist im Umfeld eines<br />

reichen kulturellen Angebots besonders schwer.<br />

Was lernten wir daraus? Jawohl, wir haben für die Architektur politische<br />

und mediale Aufmerksamkeit erreicht. Nicht als institutionelle Kontrollinstanz,<br />

dazu fehlt die Macht. Aber immerhin konnten wir das Thema Architektur als<br />

kulturelle Aufgabe politisch und medial positionieren. Überraschend dabei<br />

war, dass für den Erfolg einer breiten Vermittlung das Starsystem der Architektur<br />

noch keine wirkliche Rolle spielt. Eine Star-Ausstellung bringt zwar<br />

mediale Aufmerksamkeit, aber letztlich auch nicht mehr Besucher als ein<br />

Alltagsthema mit lokaler Betroffenheit. Wogegen aber an inhaltlich phan-

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