5 Jahre - Landesinitiative StadtBauKultur NRW
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Petra Lindner<br />
56<br />
Kunst trifft Stadt<br />
Die Idee der Initiative <strong>StadtBauKultur</strong> <strong>NRW</strong>, das Thema Baukultur in die<br />
Kunst zu tragen, kam vom Essener Kulturdezernenten Oliver Scheytt. Damit<br />
war keine Erweiterung des Landesprogramms „Kunst und Bau“ gemeint,<br />
sondern es sollte eine inhaltliche und diskursive Auseinandersetzung von<br />
Kuratoren, Künstlern und Bürgern über Aspekte der Stadtentwicklung,<br />
Architektur und Baukultur oder Theoreme wie Urbanität, Mobilität und<br />
Stadtstrukturen initiiert werden.<br />
Als 2003 das erste <strong>Jahre</strong>sprogramm „Kunst trifft Stadt“ startete, waren zum<br />
ersten Mal ausdrücklich die Kunstvereine und -vereinigungen in Nordrhein-<br />
Westfalen aufgefordert, sich in ihrem Kreis mit den ihnen verbundenen<br />
Künstlern und Mitgliedern dem Anliegen der Initiative <strong>StadtBauKultur</strong> <strong>NRW</strong><br />
zu widmen. Der Appell lautete, sich aufzumachen in die Stadt, Stadt zu<br />
erfahren, zu erleben, zu erfühlen – aus dem Blickwinkel von Kunstschaffenden<br />
und Kunstfreunden. 2005 wurde dann ein Ideenwettbewerb ausgeschrieben,<br />
der Leerstände und Brachen in unseren Städten ins Visier nahm.<br />
Mit „Urbane Zäsuren“ war das letztjährige Programm betitelt, an dem elf<br />
Kunstvereine teilnahmen, die sich auf vollkommen unterschiedliche Art und<br />
Weise einer der größten stadtstrukturellen und wirtschaftlichen Herausforderungen<br />
unserer Städte seit den 1980er <strong>Jahre</strong>n widmeten: der Verwaisung<br />
innerstädtischer Orte. Entgegen landläufiger Erwartungen, dass die Kunstvereine<br />
allein Künstler bitten würden, die von ihnen aufgespürten oder seit<br />
langer Zeit mokierten Brachen und Leerstände zu bespielen, entstand ein<br />
komplexes und in seinen Intentionen vollkommen variierendes Konglomerat<br />
von Projekten: Der Kunstverein Ahlen deklarierte zum Beispiel seinen zentralen<br />
Platz als Brache, um seinen Unmut über dessen Gestaltung zu formulieren.<br />
Das Kunsthaus Essen bereitete die Bürger der Stadt auf eine Reise in<br />
andere Urbanitätsmodelle vor und malte den Grundriss des toskanischen<br />
Siena auf den Berliner Platz. Stadtraum.org veranstalteten in der gerade<br />
beginnenden Diskussion über moderne Subsistenzsicherungstrategien ein<br />
survival camp auf einer Düsseldorfer Brache und Mülheim erlebte seinen<br />
Kirchenhügel mit allen Sinnen und einem interdisziplinären Workshop, um<br />
ihm neues urbanes Leben einzuhauchen. Damit ist nur ein kleiner Teil der<br />
Ideen und Projekte genannt.<br />
Die Kunstvereine haben neben den unterschiedlichen eingeladenen<br />
Künstlern die Narrenfreiheit des kreativen Bereichs<br />
genutzt, um sich auf unorthodoxe Art und Weise mit baukulturellen<br />
und stadtstrukturellen Fragen auseinander zu<br />
setzen. So sind spielerische Umgangsweisen, forsche politische<br />
Ansätze ohne jede parteipolitische Verpflichtung entstanden,<br />
mutige Visionen ohne die nüchterne Ernsthaftigkeit<br />
eines stadtplanerischen Gremiums bedenken zu müssen.<br />
„Kunst trifft Stadt“ fungierte auch beim zweiten Mal als ästhetischer<br />
Spielraum mit seriösen Absichten. Allen Projekten<br />
zugrunde liegt die Liebe zur Stadt, die konstruktiv kritische<br />
Betrachtung eines wohlbekannten Gefüges, das dem alltäglichen<br />
Blick immer wieder entgeht. Die Wiederentdeckung<br />
der eigenen Stadt mit ihren Schätzen und desolaten Aspekten<br />
provoziert: In den kreativen Köpfen und denen, deren<br />
Interesse der Kunst gilt, regt sie zu ungeahnten Herangehens-<br />
und Sichtweisen, Inszenierungen oder periodischen<br />
Veränderungen an. Die Initiative <strong>StadtBauKultur</strong> <strong>NRW</strong> sucht<br />
mit der Reihe „Kunst trifft Stadt“ keine neuen Stadtplaner<br />
oder Architekten, aber neue Sichtweisen auf die Stadt. Der<br />
interdisziplinäre Ansatz des gesamten Programms hat in den<br />
letzten fünf <strong>Jahre</strong>n nicht nur zu außergewöhnlichen Kooperationen<br />
geführt, sondern auch Prozesse und Ergebnisse<br />
gezeigt, die ohne die Öffnung der klassischen Expertenrunde<br />
nicht zu Stande gekommen wären.<br />
Im Endeffekt handelt es sich hier um ein Kommunikationsmodell:<br />
„Kunst trifft Stadt“ geht über den inhaltlichen Rahmen<br />
der Stadtbetrachtung hinaus und erweist sich mehr und<br />
mehr als Plattform für Kunstvereine und Kuratoren, Künstler<br />
und Stadtverwaltungen, Politiker und Planer. Die einzelnen<br />
Veranstaltungen werden zu Zusammenkünften von Menschen,<br />
die einander sonst nur skeptisch oder überhaupt nicht<br />
begegnen. Letztlich ist durch dieses Programm eine weitere<br />
Gruppe von Bürgern auf das Thema Baukultur aufmerksam<br />
geworden und eingeladen, sich aktiv damit auseinander zu<br />
setzen. Und das bleibt neben der professionellen und wissenschaftlichen<br />
Weiterentwicklung wichtiges Ziel: baukulturelle<br />
Fragen und Herausforderungen in die Köpfe derjenigen<br />
Menschen zu tragen, die unsere Städte mit Leben füllen.