5 Jahre - Landesinitiative StadtBauKultur NRW
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4. Einbahnstraßenkommunikation: Wessen Baukultur?<br />
Kommunikation in Sachen Baukultur bedeutet für viele in erster Linie:<br />
Öffentlichkeitsarbeit. Andere sollen von den eigenen Anliegen überzeugt<br />
werden, es gilt, Interesse zu wecken, Breitenwirkung zu erzielen – legitime<br />
Anliegen allesamt. Aber das ist nur eine Seite der Kommunikation – die<br />
Information, der Monolog, die Einbahnstraße.<br />
Damit ist keinesfalls gesagt, dass nicht schon die Mitteilung der eigenen<br />
Sichtweisen eine Herausforderung darstellte. Eine kurze Geschichte soll das<br />
illustrieren:<br />
Vor einigen <strong>Jahre</strong>n wurden in einem Fernsehbericht die Planungen für eine<br />
Innenstadt irgendwo in der deutschen Provinz vorgestellt. In einer längeren<br />
Sequenz zeigte man, wie der Planer seine Entwürfe erläuterte. Dann ein<br />
Schnitt: Der Planer, vor dem Plan im Hintergrund, ohne Ton – und dann<br />
quer übers Bild geworfen Schlagworte aus seiner Rede. Das reichte von<br />
„Urbanität“ und „optimaler Dichte“ über „Einzelhandelsbesatz“, „Kammerschließung“,<br />
„Kerngebietsnutzung“ oder „Lauflage“ bis hin zur „reizvollen<br />
Raumfolge“ und dem „besonderen Charme gerade dieses Ortes“. Am Schluss<br />
waren Planer und Plan nicht mehr zu erkennen, nur mehr Fetzen eines<br />
Fachjargons. Viele Worte – keine Verständigung: beredte Sprachlosigkeit.<br />
Mit polemischer Absicht wurde hier deutlich gemacht, wie wenig die<br />
sprachliche Innenwelt eines Berufsstandes zur Kontaktaufnahme mit anderen<br />
Welten taugen kann. Das gilt für viele Fachleute aus unterschiedlichen<br />
beruflichen Welten. Gelegentlich keimt jedoch der Verdacht, dass einem<br />
Teil der Bauschaffenden die Kommunikation über ihre Inhalte besonders<br />
schwer fällt. Architekten etwa seien, hieß es in einer deutschen Tageszeitung<br />
(SZ v. 27./28. 7. 2002, S. 14) „sprach- und kommunikationsgestörte<br />
Autisten“. Das ist scharf formuliert. Aber so ganz von der Hand weisen sollte<br />
man diese Kritik nicht. Könnte es nicht sein, dass mit dieser überspitzten<br />
Formulierung eine déformation professionel getroffen wird, die sich in dem<br />
nicht selten gehörten Satz manifestiert: „Mein Entwurf spricht für sich“?<br />
Einige der Architektenstars, die überall auf der Welt bauen, werden gerne<br />
als „charismatische Persönlichkeiten“ und „große Kommunikatoren“ bezeichnet.<br />
Sie vermögen Bauherren und Öffentlichkeiten von ihren Ideen zu<br />
überzeugen und verfügen gelegentlich sogar noch über kommunikative<br />
Langstreckenqualitäten, wenn es um die Mühsal der Umsetzung eines großen<br />
Wurfs in bau- und finanzierbare Konzepte geht. Das legt die Einsicht nahe,<br />
dass „erfolgreich ist, wer verstanden wird“ (Haupt/Kubitza, 2002, S. 72).<br />
Aber so sehr verbreitet scheinen diese Einsicht und die damit verbundenen<br />
Fähigkeiten noch nicht zu sein. Das mag schon im Studium angelegt sein,<br />
wo die subjektive Selbstentäußerung gefördert und die Herausbildung kommunikativer<br />
Fähigkeiten – trotz aller Bekenntnisse zu den soft skills – häufig<br />
vernachlässigt wird.<br />
70<br />
Aber es gibt noch einen tiefer gehenden Grund, den Architekten<br />
und Planer mit vielen anderen Fachleuten teilen: Man<br />
erwartet nichts von der Kommunikation mit Fachfremden.<br />
Denn die „verstehen ja ohnehin nichts von der Sache“. Im<br />
Zweifel zerreden die anderen nur die fachlich doch so überzeugende<br />
Lösung. Dass hinter solcher Haltung ein grundlegendes<br />
Missverständnis von der Sache und der Rolle der<br />
Fachleute steht, wurde schon oft erläutert (vgl. z.B. Corboz<br />
2002, S. 50 oder Selle 2000, S. 159 ff.) – aber viel geändert<br />
hat sich noch nicht.<br />
Bei der Baukultur gibt es noch eine besondere Zuspitzung:<br />
Die anderen, sie verstehen nicht nur nichts von der Sache,<br />
sie haben auch keinen Geschmack. Wer den Ekel hört, mit<br />
dem die Baumarkt-Kultur gebrandmarkt wird, wer die Häme<br />
sieht, mit der auf den „Letzten Seiten“ mancher Bauzeitschriften<br />
Alltagsarchitekturen vorgeführt werden, der erkennt,<br />
wie tief die Abneigung sitzt, jene, die nicht die eigene<br />
ästhetische Auffassung teilen, als Gesprächspartner ernst<br />
zu nehmen. Was Wunder, dass viele Bekenntnisse zur Kommunikation<br />
in und über Baukultur zu ästhetischen Erziehungsversuchen<br />
geraten. Da ist die Gefahr der „Geschmacksdiktatur“<br />
nicht fern (vgl. Göschel 2003, S. 38).<br />
Aber eigentlich ist ja bekannt, was wirklich Not tut. Im<br />
„Statusbericht Baukultur in Deutschland“ (BMVBW 2001,<br />
S. 50) heisst es: „Eine verbesserte Bürgerbeteiligung verlangt<br />
von den professionellen Planern, von Politik und Verwaltung<br />
eine verständliche Sprache der Darstellung und<br />
die Bereitschaft, sich auf die Diskussion einzulassen (…).<br />
Planungen, die auf breite Akzeptanz bei den Bürgern setzen,<br />
müssen alle Akteure in der Kommune einbinden; sie<br />
setzen den Willen zum Konsens voraus. Prozessorientierte<br />
Kooperationsformen haben jedoch nur dann Erfolg, wenn<br />
der Prozess ergebnisoffen geführt wird.“<br />
Verständliche Sprache, Einbindung vieler Akteure, Wille zum<br />
Konsens und ergebnisoffene Prozesse – klare Anforderungen<br />
sind das. Aber die Bereitschaft, sich ihnen (mit allen<br />
Konsequenzen für die eigene Rolle) zu stellen oder gar die<br />
Fähigkeit, sie umzusetzen, haben noch Seltenheitswert.<br />
Umso wichtiger ist es, die vorhandenen Ansätze nachdrücklich<br />
zu fördern und zu ihrer Verbreitung beizutragen – auf<br />
dass Anspruch und Wirklichkeit ein wenig näher zueinander<br />
finden.