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5 Jahre - Landesinitiative StadtBauKultur NRW

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Mediale Aufbereitung urbaner Mythen<br />

Die Bedeutung historischer Anknüpfungspunkte lässt sich gut am Beispiel<br />

des größten privatwirtschaftlichen Projekts der letzten <strong>Jahre</strong> in Berlin, dem<br />

Potsdamer Platz, verdeutlichen. Um dem Bauvorhaben eine besondere Aura<br />

zu verleihen, wurde von den Investoren die Legende vom einst verkehrsreichsten<br />

Ort Europas reanimiert, der Potsdamer Platz zum angeblichen<br />

Herz der Stadt erklärt und das Projekt zum vermeintlichen Gewinner eines<br />

in Wirklichkeit gar nicht existierenden Wettbewerbs um den Status als größte<br />

Baustelle des Landes ausgerufen. Obwohl weder der Umstand, dass der<br />

Platz in den 1920er <strong>Jahre</strong>n verkehrstechnisch ungenügend ausgestattet<br />

war, noch seine einstige Lage in Mauernähe und erst recht nicht die schiere<br />

Dimension des Projekts die Qualität eines Bauvorhabens garantieren können,<br />

wurden diese Eigenschaften zu den Kernaussagen einer jahrelangen<br />

multimedialen Werbekampagne. Denn diese Mythen wurden schon in der<br />

Bauphase in der Infobox einem Massenpublikum vermittelt und dabei die<br />

immer gleichen Fotos des Platzes aus den 1920er <strong>Jahre</strong>n, der großen Baustelle<br />

mit den Kränen und der beteiligten internationalen Architekten solange<br />

präsentiert, dass sie heute zum Bildungskanon der meisten Berliner und<br />

Besucher gehören.<br />

Das tatsächlich realisierte Bauprogramm steht aber in krassem Gegensatz<br />

zur ursprünglichen Idee, am Potsdamer Platz ein Gebiet mit traditionellen<br />

urbanen Qualitäten zu schaffen. Denn obwohl, um vermeintliche Charakteristika<br />

der europäischen Stadt widerzuspiegeln, den Vorschlägen der Masterplaner<br />

Hillmer und Sattler entsprechend auf allzu hohe Türme verzichtet<br />

und stattdessen in blockartigen Strukturen gebaut werden sollte, gelang es<br />

nicht, ein vielfältiges Stadtquartier mit einer kleinteiligen Struktur zu schaffen.<br />

Stattdessen entstand mit dem Sony Center ein Brand Land japanischer<br />

Herkunft und mit dem Quartier DaimlerChrysler ein Entertainment-, Ein-<br />

18<br />

kaufs- und Bürokomplex amerikanischen Typs, der dann mit<br />

städtebaulichen Reminiszenzen an traditionelle europäische<br />

Städte umrahmt wurde. So fungiert die baumbestandene<br />

alte Potsdamer Straße als ein Pseudo-Boulevard, der nach<br />

wenigen hundert Metern endet. An seinem nördlichen Ende<br />

wird mit der Rekonstruktion einer historischen Verkehrsampel<br />

auf die 1920er <strong>Jahre</strong> Bezug genommen. Am Südende<br />

dagegen wurde – als Hommage an dieselbe Epoche – die<br />

Schlichtvariante eines Stadtplatzes nach Marlene Dietrich<br />

benannt. Dort sind auch zwischen den Bürobauten schmale<br />

Treppen angelegt worden. Zwar führen sie nur in Sackgassen,<br />

in denen sich die Müllcontainer befinden, beim touristischen<br />

Betrachter sollen sie aber diffuse Erinnerungen an die<br />

Gassen mediterraner Orte wecken.<br />

Mit dieser Collage von klassischen städtischen Motiven soll<br />

dem Potsdamer Platz ein einzigartiges Metropolen-Image<br />

gegeben werden, obwohl die vorhandenen Nutzungen wie<br />

McDonald’s oder Cinemaxx kaum als besondere Attraktion<br />

gelten können, die es nicht auch in den Städten gäbe, aus<br />

denen die Besucher kommen. Auch wenn die Gestaltung<br />

also keine wirkliche urbane Vielfalt generiert, trägt sie aber<br />

dazu bei, ein Image zu schaffen, mit dem der Ort als touristische<br />

Destination erfolgreich beworben werden kann. So<br />

wird das von den Nutzungen her durchschnittliche kommerzielle<br />

Viertel bei Touristen als angebliche Metropole und<br />

als Wiederauferstehung traditioneller urbaner Qualitäten<br />

vermarktet, ohne dass diese in DaimlerChryslers und Sonys<br />

Brand Lands wirklich zu finden sind.

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