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Die erste Stufe der Revolution von 1789 bis 1791 war von den Freimaurern beherrscht, deren Zahl in<br />
den Jahren vor der Revolution mit erstaunlicher Geschwindigkeit zugenommen hatte. Adam Zamoyski<br />
schreibt, dass „es 1772 in Frankreich 104 Logen gab, 1776 schon 198 und überwältigende 629 im<br />
Jahre 1789. Zu ihren Mitgliedern zählten praktisch alle Kapazitäten, Schriftsteller, Künstler,<br />
Rechtsanwälte, Soldaten oder andere Berufe im Lande sowie namhafte Ausländer wie Franklin und<br />
Jefferson—etwa 30.000 Personen. Zamoyski, Holy Madness: Romantics, Patriots and Revolutionaries,<br />
1776-1871, London: Weidenfeld & Nicolson, 1999, S. 51.<br />
***<br />
Zwischen 1732 und 1793 wurden in Frankreich zwischen 800 und 900 Freimaurerlogen gegründet,<br />
zwei Drittel davon nach 1760. Zwischen 1773 und 1779 wurden gut 20.000 Mitglieder gewonnen. Es<br />
gab folglich nur wenige Städte, in denen es in den 1780er Jahren nicht eine oder mehrere Logen<br />
gegeben hätte und ungeachtet mehrfacher Verurteilungen des aus dem protestantischen England<br />
stammenden Götterkults durch den Papst, trat die Elite der Gesellschaft in Scharen bei. Voltaire wurde<br />
während seines letzten Besuchs in Paris hineingezogen und tauschte vor der versammelten<br />
Bruderschaft der Neun-Schwester-Loge symbolische Umarmungen mit Franklin aus. (William Doyle,<br />
The Oxford History of the French Revolution, Oxford University Press, 1990, S. 64-65)<br />
***<br />
Die Montagnards (Jakobiner) traten dafür ein, den König so schnell wie möglich loszuwerden; die<br />
Girondins wollten ein Referendum aller Menschen zur Entscheidung. Der Montagnard Saint-Just<br />
meinte, ein Gerichtsverfahren sei unnötig, die Menschen hätten den König bereits am 10. August<br />
verurteilt; es bliebe nur noch, ihn zu bestrafen. Da „es keinen unschuldigen Regenten gibt…. jeder<br />
König ist ein Rebell und Usurpator.“<br />
Robespierre hatte sich in der Versammlung gegen die Todesstrafe ausgesprochen, aber nun sagte er,<br />
„Ludwig muss sterben, damit das Land leben kann“ — ein unbewusstes Echo auf die Worte von<br />
Kaiaphas über Christus: „Ihr bedenkt nicht, dass es besser für euch ist, wenn ein einziger Mensch für<br />
das Volk stirbt, als wenn das ganze Volk zugrunde geht“ (Johnannes 11:50). Und er stimmte Saint-Just<br />
zu:<br />
Ludwig kann nicht gerichtet werden, er wurde schon gerichtet. Er wurde verurteilt, oder andernfalls ist<br />
die Republik nicht schuldlos. Vorzuschlagen, Ludwig XVI vor Gericht zu stellen, in welcher Weise<br />
auch immer, ist ein Schritt zurück zum königlichen und konstitutionellen Despotismus; es ist eine<br />
konterrevolutionäre Idee, weil es die Revolution selbst auf die Anklagebank setzt. Schließlich kann<br />
Ludwig freigesprochen werden, wenn er noch vor Gericht gestellt wird, er könnte unschuldig sein.<br />
Oder vielmehr gilt er als unschuldig, bis seine Schuld bewiesen ist. Aber wenn Ludwig für unschuldig<br />
erklärt wird, was wird dann aus der Revolution? (ebd., S. 195)<br />
***<br />
Es war eine bestimmte Logik in diesen Worten: Seit die Revolution alle Fundamente des Ancien<br />
Regime unterspült hatte, konnte die Möglichkeit, das Oberhaupt dieses Regimes könne unschuldig<br />
sein, implizieren, dass die Revolution schuldig sein könnte. So erforderte die “revolutionäre<br />
Gerechtigkeit” eine direkte Exekution anstatt eines Verfahrens; sie konnte es sich nicht leisten, die<br />
Grundlagen der Revolution selbst in Frage zu stellen. Es war dieselbe Logik, die 1918 zur Exekution<br />
Zar Nikolaus II anstelle eines Gerichtsverfahrens geführt hatte.