12.12.2012 Aufrufe

“semitisches pantheon”. eine “männliche tyche” - MOSAIKjournal.com

“semitisches pantheon”. eine “männliche tyche” - MOSAIKjournal.com

“semitisches pantheon”. eine “männliche tyche” - MOSAIKjournal.com

MEHR ANZEIGEN
WENIGER ANZEIGEN

Erfolgreiche ePaper selbst erstellen

Machen Sie aus Ihren PDF Publikationen ein blätterbares Flipbook mit unserer einzigartigen Google optimierten e-Paper Software.

184| WIEBKE FRIESE<br />

rienfeiern oder Heilungen an, so dass diese neuen Heiligtümer <strong>eine</strong><br />

Art “ganzheitlich-spirituelle” Behandlung anboten.<br />

A. Chaniotis zufolge war es gerade die Kombination aus vertrauten<br />

und neuen, spektakulären Elementen, die <strong>eine</strong>n solchen<br />

Kult aus dem in dieser Zeit besonders ausgeprägten Konkurrenzfeld<br />

hervorhob. 40 Prinzipiell wusste der Klient also was ihn erwartete.<br />

Dies galt sowohl für das Ritual selbst (die Epiphanie des Gottes)<br />

wie auch für den architektonischen und ikonographischen Rahmen<br />

dieser Handlung (<strong>eine</strong> mystische, vorzugsweise höhlenartige Umgebung).<br />

Um dessen Erwartungshaltung zu begegnen, reichte es nicht<br />

mehr aus, dem Klienten <strong>eine</strong> mündliche oder schriftliche Antwort<br />

zu übergeben, die etwa aus dem von jedem zu beobachtenden Rauschen<br />

der heiligen Eiche von Dodona oder den Flammen des Altarfeuers<br />

in Theben gelesen wurde. Der Klient erwartete vielmehr,<br />

etwas spektakulär Neuem zu begegnen, überrascht bzw. ergriffen<br />

zu werden. Eben dies erlebte er in den Unterweltsorakeln von Herakleia<br />

und Lebadeia, im Labyrinthkeller von Klaros oder in Gegenwart<br />

der sprechenden Schlange Glykon. Da das persönliche<br />

Erlebnis des Klienten dabei von entscheidender Bedeutung war<br />

und der Orakelspruch vor allem bei den autosuggestiven Orakeln<br />

wie Abonuteichos oder Lebadeia weder durch ein Medium, noch<br />

durch ein Hilfsmittel, sondern durch den Gott selbst übertragen<br />

wurde, blieb neben den vorbereitenden Ritualen und Gesprächen<br />

nur die Architektur, um das spirituelle Erlebnis des Klienten und<br />

damit den Erfolg des Orakels zu gewährleisten. Dies geschah vor<br />

allem durch die architektonische Betonung von Dunkelheit, Enge<br />

und wiederholte Richtungsänderung im Raum.<br />

Wie die hier gezeigten Beispiele darlegen konnten, dienten<br />

demnach die meisten Neu- und Umbauten römischer Zeit dem<br />

<strong>eine</strong>m Ziel: Das physische wie psychische Körperempfinden der<br />

Orakelklienten zu beeinflussen, zu verwirren und sie damit für das<br />

Orakelerlebnis insoweit zu sensibilisieren, dass sie schließlich das<br />

sahen, was sie sehen wollten – <strong>eine</strong>n Gott, der ihnen ihr Schicksal<br />

verriet.<br />

40 CHANIOTIS (2004) 6. 14–15.

Hurra! Ihre Datei wurde hochgeladen und ist bereit für die Veröffentlichung.

Erfolgreich gespeichert!

Leider ist etwas schief gelaufen!