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E-Paper | Falstaff Magazin Österreich 07/2019

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gourmet / STADTPORTRÄT BERLIN<br />

»Wir haben jetzt auch am<br />

Montag geöffnet«, sagt<br />

Vladi Gachyn und grinst,<br />

»der Montag ist der<br />

Sonntag Berlins.«<br />

VLADI GACHYN Pommesbuden-Besitzer<br />

Fritten de luxe: Kajo<br />

Hiesl (r.) und<br />

Vladislav Gachyn<br />

arbeiteten im Drei-<br />

Sterne-Restaurant<br />

»Aqua«, bevor sie<br />

sich im »Goldies«<br />

selbstständig machten.<br />

Deutschlands Regionen<br />

genussvoll entdecken<br />

falstaff.com/regional-genuss<br />

Kürzlich hatten Kajo und Vladi<br />

wieder Besuch vom Chef. Also,<br />

genau genommen ist es nicht<br />

mehr ihr Chef, aber sie nennen<br />

ihn immer noch so. Sven Elverfeld<br />

war in der Stadt. Einer von zehn Drei-<br />

Sterne-Köchen in Deutschland. Ideengeber<br />

und Visionär im »Aqua« in Wolfsburg. Kajo<br />

und Vladi arbeiteten unter ihm, bevor sie in<br />

Berlin ihr eigenes Ding machten. Jedenfalls,<br />

sagt Vladi, »der Chef war wieder begeistert«.<br />

Die Jungs, die mit vollem Namen Kajo<br />

Hiesl und Vladislav Gachyn heißen, haben<br />

an der Oranienstraße in Kreuzberg eine<br />

Pommesbude eröffnet. Aber nicht irgendeine,<br />

sondern eben eine mit Sternenglanz. Alle<br />

Saucen machen sie selbst, die passende Kartoffelsorte<br />

(Agria) stand erst nach etlichen<br />

Versuchen fest, frittiert werden die Stäbchen<br />

je nach Kundenwunsch in Rinderfett oder<br />

Pflanzenöl – doppelt, natürlich. Und man<br />

muss Elverfeld recht geben: Die Fritten<br />

schmecken fantastisch, herrlich knusprig,<br />

vollaromatisch. Dazu gibt es auf Wunsch<br />

Trüffel, Roastbeef oder Eisbein, und so kommen<br />

selbst verkaterte Partygäste in den<br />

Genuss von Gourmet-Knowhow. Der Laden<br />

läuft: »Wir haben jetzt auch am Montag<br />

geöffnet«, sagt Vladi Gachyn und grinst,<br />

»der Montag ist der Sonntag Berlins.«<br />

Ja, so ist das. Auch wenn man versucht,<br />

dem Klischee aus dem Weg zu gehen: Berlins<br />

Ruf als Partyhauptstadt ist unangefochten.<br />

Leben und feiern, dann auskatern und ausruhen<br />

– konventionell leben können andere. In<br />

der Hauptstadt läuft das Leben noch immer<br />

ein wenig anders als sonst in Deutschland.<br />

Hier ist möglich, was sich anderswo noch<br />

nicht durchgesetzt hat. Zu jeder Tages- und<br />

Nachtzeit frühstücken, zum Beispiel. Zu diesem<br />

Zweck hat das »Benedict« in Wilmersdorf<br />

täglich 24 Stunden geöffnet.<br />

Muss man anscheinend mal gemacht<br />

haben: In einer Umgebung, die absolut »instagrammable«<br />

ist, stehen an einem gewöhnlichen<br />

Dienstagvormittag etliche Gäste Schlange,<br />

Sprachfetzen von Spanisch bis Englisch<br />

wabern durch die Luft. Kulinarisch fühlt sich<br />

hier jeder zu Hause, neben den hervorragenden<br />

Eggs Benedict mit Feigen auf einer fingerdicken<br />

Scheibe Sauerteigbrot gibt’s hier auch<br />

Frittata, Pancakes oder ein Balkan-Omelette.<br />

Die Lokalkette »Benedict« stammt aus<br />

Israel und könnte auch in London stehen<br />

oder in New York. In Deutschland fällt<br />

einem dagegen kaum eine Stadt ein, in der<br />

das Konzept funktionieren würde. Hamburg?<br />

Vielleicht am Wochenende. München?<br />

Schon mal gar nicht. So was geht nur in Berlin.<br />

Auch wenn London die deutsche Hauptstadt<br />

als Foodie-Hotspot mittlerweile wieder<br />

abgelöst hat – Berlin bleibt dank der internationalen<br />

Einflüsse die spannendste deutsche<br />

Stadt. Nirgendwo öffnen so viele Gastronomien,<br />

nirgendwo pulsiert die kulinarische<br />

Szene so wie hier, und was heute hip ist,<br />

kann morgen schon wieder vergessen sein.<br />

Stehen bleiben darf man nicht, das ist klar.<br />

Bei so viel Hipstertum könnte man eine<br />

Rückkehr zur Klassik schon fast wieder als<br />

revolutionär feiern. So wie sich der »Pauly<br />

Saal« in Mitte unter der neuen Küchenleitung<br />

von Dirk Gieselmann tatsächlich wieder<br />

verstärkt der französischen Küche widmet,<br />

und zwar sehr gut (siehe auch Sixpack auf<br />

S. 186). Die Gäste, viele Amerikaner aus<br />

<<br />

Fotos: Jules Villbrandt, Jule Müller, Nimrod Saunders, beigestellt<br />

174 falstaff okt–nov <strong>2019</strong><br />

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