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Anhaltspunkte für die ärztliche Gutachtertätigkeit

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260 Soziales Entschädigungsrecht<br />

(2) Bei Untersuchungen von Heimkehrern aus der Gefangenschaft, Internierung<br />

oder Haft ist der Erhebung einer ausführlichen Anamnese, <strong>die</strong> vor<br />

allem <strong>die</strong> speziellen Lebensverhältnisse in ihren Einzelheiten erfasst, besondere<br />

Aufmerksamkeit zu schenken. Aus der Anamnese ergeben sich wesentliche<br />

Hinweise <strong>für</strong> mögliche Spätschäden.<br />

(3) Die Unter- und Fehlernährung führte zu verschiedenen Formen der<br />

alimentären Dystrophie (anfangs auch Eiweißmangelschaden, Mangelkrankheit,<br />

Ödemkrankheit genannt), <strong>die</strong> klinisch als ödematöse und trockene<br />

– in der „Auffütterungsphase“ auch als lipophile – Dystrophie in Erscheinung<br />

trat. Ihr Auftreten und ihr Verlauf wurden begünstigt und beeinflusst<br />

durch Infektionskrankheiten sowie durch körperliche und psychische Belastungen.<br />

Daneben führte <strong>die</strong> Dystrophie zu einer Schwächung des Immunsystems<br />

und damit zu einer verminderten Widerstandskraft gegen<br />

Infektionen und andere Erkrankungen. Die während der Dystrophieperiode<br />

ablaufenden Erkrankungen zeigten infolge der veränderten Reaktionsfähigkeit<br />

des Organismus oft eine atypische Symptomatik. Lipophile Dystrophien,<br />

<strong>die</strong> vor allem nach schneller „Auffütterung“ auftraten, gingen oft mit<br />

einer dilatativen Kardiomyopathie einher.<br />

(4) Die unkomplizierte Fehl- oder Unterernährung mit oder ohne Ödeme hinterließ<br />

bei der großen Regenerationsfähigkeit der meisten Gewebe in der Regel<br />

keine bleibenden Folgen; <strong>die</strong> Schwächung des Immunsystems bildete sich<br />

in der Regel innerhalb von zwei Jahren (Reparationsphase) zurück. Mehrphasige<br />

oder besonders langdauernde alimentäre Dystrophien oder <strong>die</strong> Summation<br />

von Dystrophie mit infektiösen oder toxischen Schädigungen konnte zu<br />

länger anhaltenden, dauernden oder erst spät in Erscheinung tretenden Folgen<br />

führen, besonders bei Betroffenen im jüngeren und höheren Lebensalter.<br />

Nicht selten ist es als Summationsschaden nach extremen Lebensverhältnissen<br />

zu Leberschäden gekommen, zu denen auf <strong>die</strong> Nummer 108 verwiesen<br />

wird.<br />

Unter dem Einfluss von extremen Lebensverhältnissen mit Dystrophie, ggf.<br />

mit Anämie oder Blutdruckänderung, konnte es zu Störungen der Herzfunktion<br />

(Herzrhythmusstörungen und Störungen der Erregungsrückbildung)<br />

kommen, <strong>die</strong> in der Regel vorübergehend waren. Über <strong>die</strong> Koronarsklerose<br />

und den Herzinfarkt siehe Nummern 92 und 101.<br />

Schädigungen des Gehirns im Sinne einer dystrophisch bedingten Hirnatrophie<br />

(vor allem im Hirnstammbereich) sind insbesondere nach langdauernder<br />

schwerer Dystrophie bekannt geworden; auch Hirntraumen im Stadium der<br />

Dystrophie konnten einen dystrophischen Hirnschaden begünstigen. Eine solche<br />

Hirnatrophie ist allein aufgrund einer organischpsychischen Veränderung<br />

schwierig zu erkennen; <strong>die</strong> Diagnose ist erst durch ergänzende Untersuchungen<br />

(z.B. Computertomographie, Kernspintomographie) möglich.

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