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Aspekte der morphologischen Analyse des Deutschen - Universität ...

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Kapitel 3: Wortsyntax und Wortsemantik <strong>des</strong> <strong>Deutschen</strong><br />

(‘[uF]’ bedeutet ‘unmarkiert für Merkmal F’). Diese Bedingungen, die im übrigen bei Di<br />

Sciullo/Williams (1987) unter <strong>der</strong> Bezeichnung relativized head 1 firmieren, besagen, daß sich<br />

Merkmale von Nichtköpfen nach oben vererben können, solange <strong>der</strong> Kopf nichts an<strong>der</strong>es<br />

über diese Merkmale aussagt, was sich technisch durch sog. Default-Unifikation realisieren<br />

läßt. In (2b) ist also z.B. <strong>der</strong> Stamm <strong>der</strong> KopfArgumentstruktur und <strong>der</strong> KopfKategorie, das Tempusaffix<br />

-t- <strong>der</strong> KopfTempus und das äußerste Flexionsaffix <strong>der</strong> KopfPerson/Numerus.<br />

Allerdings entleert man hierdurch natürlich den Begriff Kopf seines Sinngehalts, da zu fragen<br />

ist, welche Beschränkungen das Kopf-Prinzip den Wörtern überhaupt noch auferlegt.<br />

Zudem wird rein kontextuell und nicht intrinsisch, d.h. im Lexikon festgelegt, was ein Kopf<br />

in bezug auf ein bestimmtes Merkmal F ist.<br />

Akzeptiert man jedoch dieses Prinzip, so kann man, wie auch in <strong>der</strong> Phrasensyntax, die<br />

Phrasenstrukturkomponente prinzipiell eliminieren und durch Subkategorisierungsanfor<strong>der</strong>ungen<br />

<strong>der</strong> Köpfe ersetzen (vgl. z.B. Lieber (1980), Gallmann (1990)). Köpfe legen nun fest,<br />

welche Nicht-Köpfe zu ihnen hinzutreten können und welche Eigenschaften diese Nicht-<br />

Köpfe aufweisen müssen. Dies ist attraktiv, da eine gewisse Redundanz in Wortstrukturregeln<br />

und unabhängig davon notwendigen Kombinationsrestriktionen beseitigt wird, was zu<br />

einem theoretisch einfacheren Beschreibungsapparat und einer weitgehenden Lexikalisierung<br />

von Flexion (und Derivation) führt.<br />

Die Einführung <strong>des</strong> Kopfbegriffs in die Flexionsmorphologie ist nun – wie schon gesagt –<br />

nicht unproblematisch, insbeson<strong>der</strong>e dann, wenn man die Flexionsstrukturregeln nicht als<br />

einen unabhängig vorhandenen Mechanismus betrachtet und ihn – wie skizziert - durch<br />

Subkategorisierungsanfor<strong>der</strong>ungen <strong>der</strong> Köpfe ersetzt.<br />

Zum ersten führt dies zu einem äußerst liberalen Begriff von Argument, o<strong>der</strong> wie auch immer<br />

man die Nicht-Köpfe auf <strong>der</strong> Wortebene nennen möchte. Man muß dann alle <strong>morphologischen</strong><br />

Beziehungen als Beziehungen zwischen Kopf und Nicht-Kopf abbilden, was zu<br />

einigen Ungereimtheiten führt. Wie sollen beispielsweise semantische leere Morpheme behandelt<br />

werden, wie z.B. das Partizip-II-Präfix ge-? Als Kopf wird man es kaum ansehen<br />

können, folglich muß es etwas Subkategorisiertes sein, also ein „Argument“ o<strong>der</strong> ein Modifikator.<br />

Beide Alternativen sind jedoch nicht zufriedenstellend, da <strong>der</strong> Beitrag dieses Präfixes<br />

eben kein semantischer o<strong>der</strong> syntaktischer, son<strong>der</strong>n ein phonetischer ist. Das Problem stellt<br />

sich im übrigen auch bei <strong>der</strong> Komposition in bezug auf die sog. Fugenelemente.<br />

Diese Problemfälle können durch allgemeine kontextfreie Wortstrukturregeln vermieden<br />

werden, da hier die Beziehungen zwischen Schwesterkonstituenten nicht unbedingt durch<br />

weitere grammatische Grundprinzipien festgelegt werden und so eine größere <strong>des</strong>kriptive<br />

Adäquatheit erreicht werden kann.<br />

Die zweite Schwierigkeit ergibt sich daraus, daß sich, wie oben bereits zur Sprache kam, <strong>der</strong><br />

starke Kopfbegriff <strong>der</strong> Syntax wohl nicht halten läßt. Relativierte Köpfe führen zu verhältnismäßig<br />

komplizierten Beziehungen zwischen den Wortbestandteilen. Beispielsweise wäre<br />

in <strong>der</strong> Wortform fragtest <strong>der</strong> Stamm frag- <strong>der</strong> KopfArgumentstruktur, -t- <strong>der</strong> KopfTempus und -est <strong>der</strong><br />

KopfPerson/Numerus. Welche Elemente subkategorisieren nun welche an<strong>der</strong>en? Daß -t- den<br />

Stamm subkategorisiert, erscheint mir unplausibel, wird aber von einigen Autoren, auch<br />

solchen aus dem Bereich <strong>der</strong> Computerlinguistik, beispielsweise Trost (1991) angenommen.<br />

Ein dritter Punkt betrifft leere Köpfe, die zur Wahrung <strong>der</strong> Einheitlichkeit <strong>des</strong> ganzen Ansatzes<br />

notwendig zu sein scheinen. Es stellt sich z.B. die Frage, welche Komponenten in<br />

Wortformen wie warf (1./3. Pers. Prät.) Träger <strong>der</strong> Person- und Numerusmerkmale sind.<br />

Nimmt man an, daß <strong>der</strong> Verbstamm selbst hierfür markiert ist – was im Rahmen <strong>der</strong> Konzeption<br />

<strong>des</strong> relativierten Kopfs durchaus möglich ist, da in Formen wie warfst ein weiter<br />

1 Definition <strong>des</strong> relativierten Kopfs nach Di Sciullo/Williams (1987:26): „The headF [d.h. head für<br />

Merkmal F; m.E.] of a word is the rightmost element of the word marked for the feature F.“<br />

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