Aspekte der morphologischen Analyse des Deutschen - Universität ...
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Kapitel 3: Wortsyntax und Wortsemantik <strong>des</strong> <strong>Deutschen</strong><br />
3.1.2.2 Argumentvererbung<br />
Mit Argumentvererbung wird <strong>der</strong> Sachverhalt bezeichnet, daß abgeleitete Wörter häufig<br />
thematische Rollen vor ihrer Basis übernehmen.<br />
(18)<br />
a) Der Notar beurkundete den Grundstücksverkauf<br />
Agens Thema<br />
b) Die Beurkundung <strong>des</strong> Grundstücksverkaufs (durch den Notar)<br />
Thema (Agens)<br />
(19)<br />
a) Das Gericht überträgt das Nutzungsrecht an die Alteigentümer<br />
Agens Thema Benefizient<br />
b) Die Übertragung <strong>des</strong> Nutzungsrechts (durch das Gericht) an die Alteigentümer<br />
Thema (Agens) Benefizient<br />
(20)<br />
a) Die Funken entflammen das Material<br />
?? Thema<br />
b) Das Material ist (durch Funken) entflammbar<br />
Thema ??<br />
Anscheinend werden in (18)-(20) die Thetarollen-Raster <strong>der</strong> zugrundeliegenden Verben an<br />
das Derivat vererbt. Die Thetarolle <strong>des</strong> Subjekts (Agens in (18) und (19), ?? in (20)) muß im<br />
abgeleiteten Wort nicht unbedingt realisiert werden; dies ist analog zur Passivierung in <strong>der</strong><br />
Satzsyntax.<br />
Vererbt werden nur Thetarollen, nicht jedoch <strong>der</strong>en syntaktische Realisierung. Die Thema-<br />
Thetarolle <strong>des</strong> Akkusativobjekts in (19a) wird in (19b) beispielsweise als postnominaler Genitiv<br />
verwirklicht. Die syntaktische Realisierung einer Thetarolle muß also kompatibel sein<br />
mit den allgemeinen kategorialen Eigenschaften <strong>des</strong> Derivats. Nomina lassen z.B. nur Genitiv-Nominalphrasen<br />
und Präpositionalphrasen als Komplemente bzw. Modifikatoren zu,<br />
dementsprechend werden die Thetarollen <strong>des</strong> Basisverbs verwirklicht.<br />
Als Struktur kann man etwa für (19b) folgen<strong>des</strong> annehmen:<br />
(21)<br />
V N<br />
59<br />
N<br />
übertrag ung<br />
[ Agens, Thema, Benefizient ]<br />
Während <strong>der</strong> morphologische Kopf in (21) für Wortart und Genus <strong>des</strong> Derivats verantwortlich<br />
ist, stammt das Thetarollen-Raster vom Verb. Daß <strong>der</strong> linke Zweig für die Argumente<br />
<strong>des</strong> abgeleiteten Nomens verantwortlich ist, kann wie<strong>der</strong> mit <strong>der</strong> Annahme von relativierten<br />
Köpfen erklärt werden. Das Suffix -ung ist hinsichtlich <strong>des</strong> Merkmals Argumentstruktur nicht<br />
spezifiziert, so daß <strong>der</strong> nächste Zweig links davon, <strong>der</strong> dieses Merkmal hat, sich durchsetzt.<br />
Allerdings kann die Argumentstruktur durch morphologische Prozesse auch verän<strong>der</strong>t<br />
werden; als Beispiel wären Kausativierungen zu nennen.<br />
In bestimmten Fällen kann Argumentvererbung nicht stattfinden (vgl. Toman (1987:61)):