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Zbornik Mednarodnega literarnega srečanja Vilenica 2004 - Ljudmila

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Daniela Kapitáňová<br />

hinkte schrecklich. Das Gehen fiel ihr so schwer, dass einen schon allein<br />

der Anblick schmerzte. Die Arme konnte keinen Schritt gehen, ohne mit<br />

den Händen im Halbkreis herumzurudern und sich mit den ganzen Körper<br />

zu drehen. Aber die Edith spielte schön Akkordeon. Und die Deutschen<br />

waren ganz verrückt danach! Also wurde sie vom Meinzl engagiert, es<br />

machte ihm nichts aus, dass sie solche Beine hatte, er war kein schlechter<br />

Mensch.<br />

Also, sie fing an mit uns zusammen zu spielen. Sie musste schreckliche<br />

Komplexe haben, weil sie immer schon raus ging, bevor es anfing, sich<br />

auf ihren Platz setzte und erst tief in der Nach wieder aufstand. Ich weiß<br />

nicht, wie sie das ausgehalten hat. Ob sie den halben Tag davor nichts<br />

trank, damit sie nicht auf’s Klo musste, und ich weiß auch nicht, wie sie<br />

damit zurecht kam, wenn sie die Tage hatte. Vor ihr stand ein kleines Pult,<br />

das ihre Beine verdeckte und auf dem sie ihr Akkordeon ablegte, wenn<br />

sie Pause machte. Die Frau war knallhart. Wenn ihr einer ein Gläschen<br />

rüber schickte oder sie zum Abendessen einlud, sagte sie immer nein, sie<br />

hätte Kinderlähmung gehabt und würde laufen wie ein Seehund. So<br />

nannte sie sich selbst. Seehund. Sie schminkte sich nie, hatte einen Haarschnitt<br />

wie vom Herrenfriseur, trug immer ein schwarzes Jackett und<br />

schwarze Hosen. Und dann spielte sie. Ich weiß, wovon ich rede, auch<br />

wenn ich nicht auf dem Konservatorium war. Sie hatte es in den Fingern,<br />

und wie sie Luft holte und den Kopf neigte, wie sie vor dem ersten Akkord<br />

den Atem anhielt, das hatte was... wie’s der Herr halt gibt, wenn er’s an<br />

anderer Stelle genommen hat... verzeihen Sie, es war nicht böse gemeint.<br />

Und wie’s der Teufel will... sehen Sie, schon wieder... na ja. Was dann<br />

passiert ist: dieser Prolo Rudi Turek trieb auch mit der Edith sein Spielchen.<br />

Manchmal nahm er sie im Auto mit nach Hause, manchmal lächelte er sie<br />

an, so dass die arme Kleine ganz durcheinander war. Wie viel Jahre konnte<br />

sie sein... um die dreißig, vielleicht etwas älter... und ich wette, dass sie in<br />

der Liebe noch unerfahren war. Sie verliebte sich so schrecklich, dass sie<br />

das ganze Lokal aufheizte. Wenn sie ihn sah, wurde sie puterrot. Wenn er<br />

abtrat, wurde sie leichenblass. Ich glaube, der Rudi Turek war bloß<br />

neugierig, wie das mit ihr wäre... mit einer, die so... Sie wissen, was ich<br />

sagen will.<br />

Es dauerte nicht lange, vielleicht drei Wochen, einen Monat, ich weiß<br />

es nicht mehr genau, da hatte Rudi Turek Geburtstag. Seinen fünfzigsten,<br />

er redete groß daher, wie wir ihn feiern würden und dass er für alles<br />

sorgen wird... und da sagte die kleine Edith, dass sie ihm um Mitternacht<br />

eine Überraschung bereiten will, wir sollten sie auf dem Podium allein<br />

lassen. Natürlich waren wir einverstanden, was sich wohl herumgesprochen<br />

hatte, denn um Mitternacht kamen alle zusammen, auch die<br />

aus der Küche, Sie wissen, jeder war neugierig.<br />

Wir ließen sie allein, sie nahm ihr Akkordeon und fing an zu spielen.<br />

Und zu singen. Nie hatte ich dieses Lied gehört, ich glaube, sie hat es<br />

selbst geschrieben. Es war ein Duett, aber natürlich sang sie den Part von<br />

beiden. Sie fing damit an, dass sie gern als Fluss geboren würde, und er<br />

wäre das Boot auf diesem Fluss. Er antwortete darauf, dass sie, wenn er<br />

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