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Deutsche Altertumskunde

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90 I. Prähistorische Zeit. A. Urzeit.<br />

Über das Wohnhaus der Lebenden gewähren uns Sprachschatz (S.58f.),<br />

Bodenfunde und wohl auch die Grabstätten i) einigen Aufschluß. Man darf<br />

damit rechnen, daß, gleich den Grabkammern, das eine Haus wie das andere<br />

angelegt und eingerichtet war, denn dies folgt aus dem Wesen einer primi-<br />

tiven Siedelungsgenossenschaft und wird heute noch durch unsere so gleichartig<br />

wie irgend ein Stück der Volkstracht sich ausnehmenden Bauernhäuser<br />

bestätigt. Anfänglich werden auch die Wohnungen der Lebenden oberirdisch<br />

gewesen sein wie die ältesten Gräber, darum sind sie auch — auf Bodenniveau<br />

aus vergänglichem Material als Rundbau oder im Reckteck zeltartig<br />

hergerichtet? — spurlos verschwunden. 2) Deutlicher nachweisbar sind für<br />

uns erst die Wohnanlagen, die kellerförmig wie die Gräber in den Erdboden<br />

vertieft wurden; man pflegt sie Wohngruben zu nennen. 3) Die Ausgrabung<br />

(Taf. 1, 3)*) ergab ein nach Nordosten offenes Oval oder Rechteck<br />

von 5 : 5,5 Meter, das etwa 1 Meter tief im Erdboden ausgeschachtet<br />

worden ist. Die Hauswand war also die des Schachtes. Der Fußboden<br />

war geebnet und gepflastert^) und außerdem an Kohlenresten und Gefäßscherben<br />

kenntlich; dem Hauseingang zu stieg die Pflasterung an: man<br />

trat also über eine erhöhte Schwelle in den tiefer liegenden, einzelligen,<br />

durch Steinsetzung in zwei Abteile gesonderten Wohnraum. Der enthielt<br />

eine harte — mit Polstern zu belegende — 1 Meter breite hufeisenförmige<br />

Lehmbank und davor einen aus Steinen hergestelUen (etwa 0,5 Meter<br />

hohen, 1 Meter langen) Tisch; der Herdplatz befand sich außerhalb des<br />

Hauses vor der Tür; das „Haus" war also vornehmlich Wohn- und Schlaf-<br />

raum,«) es hatte wohl ein zeltartiges Dach, das mit Lehm beworfen bezw.<br />

mit Rasensoden gedichtet wurde. ^ Es war von den Häusern, deren vier auf<br />

einem Areal von 60 x 80 Meter zusammenlagen, s) wie von den Gräbern<br />

') MoNTELius, Arch. f. Anthropol. 23<br />

(1895), 451 ff.<br />

') Höchstens daß Lehmbewurf der aus<br />

Staken geflochtenen Wände oder auch ein<br />

vom Feuer gezeichnetes Steinpflaster an sie<br />

gemahnen (Müller, <strong>Altertumskunde</strong> 1, 201.<br />

MONTELIUS, Kulturgeschichte S. 15).<br />

') Ihr einheimischer Name ist mhd. ahd.<br />

tunc, bezeichnenderweise mit griech. räq^o.;<br />

(Grab) urverwandt. Lehrreich sind z. B. die<br />

in der Nachbarschaft von Hockergrabern aufgedeckten<br />

Wohngruben (mit Lehmbewurf)<br />

bei Calbe a. S. (btädt. Mus. zu Magdeburg).<br />

*) Fr. Knorr, Hausreste neolithischer<br />

Zeit bei Klein-Meinsdorf (Kr. Plün). Mitteil.<br />

d. anthropol. Vcr. 18 (1907), 1 ff., vgl. 5, 22 ff.<br />

Beltz, Meckicnb. Jahrb. 64.84. 131 ff. MÜLLER,<br />

<strong>Altertumskunde</strong> 1, 200ff. Aarbeger 1906, 93ff.<br />

Prähistor. Zcitschr. 1.370. 2, 1 ff. Zeitschr. f.<br />

Kthnolog. 191 1, 988 (Naumburg). A. Schliz,<br />

Das stclnzcitllche Dorf üroß-öartach, Stuttgart<br />

1901 ; FoRRER, Bauernfarmen der Stein-<br />

zeit. Straüburg 1903; Korrespondenzbl. d.<br />

(iesamtvcr. 1{R)3, 17; Korrespondenzbl. f.<br />

Anthropol HK)7. 162; AhV.5. 97ff; Fundbcr.<br />

auH Schwaben 17,5. BIrttterd. schwilb. Aüjvcr.<br />

1910 (Vaihingen a. F.).<br />

'^) griech. nXavltg : anord. flatr, and. flat,<br />

ahd. flaz (flach), dazu *flatja > ahd. flezzi,<br />

mnd. as. afries. ags. anovA-flet, dän. //^rf (Fußboden)<br />

geebnete Erde; ein Synonynion ist<br />

„Flur" (lat. planus : anord. flörr, ags. flör,<br />

mnd. vlör).<br />

^) lat. quies, tranquillus : got. fveilan,<br />

anord. hwila, ahd. wilcn (weilen, sich aufhalten,<br />

rulien). Daß die Feuerstätte außerhalb<br />

des Wohnhauses lag, hat sich bei Altar<br />

und Tempel der Griechen lang erhalten.<br />

'•) Knorr a. a. O. S. 7 Anm.<br />

*) Man wohnte in kleinen Gruppen zerstreut;<br />

aber an günstig gelegenen Punkten<br />

kam es wohl zu größeren dorfartigen Siedelungen<br />

(Aarbeger 1904, 54 ff.; Prähistor.<br />

Zeitschr. 3, 372 f.), die z. B. durdi Ininde<br />

von Megalitligräberkcraniik sicli als gleichzeitig<br />

mit den ncolithischen Grabbauten zu<br />

erkennen geben (scliönc Belege im Hamburger<br />

Museum aus der Gegend von Bcrgedorf<br />

[Börnsen, Boberg, Rothes I lausj und<br />

Bevensen). Stcinzcitliche Dörfer sind an entsprcciiendcn<br />

Resten audi in Br.iiniscliweig<br />

erkannt worden (Gr. Vahll)crg, Marienborn,<br />

Atzum, Denkte, Deersiicim, Wittinar u. a.).

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