Deutsche Altertumskunde

1. Gallier und Germanen. § 38. Sweben. 243
Gleichzeitig mit den elsässischen Ereignissen spielten sich Veränderungen
am Mittelrhein und Niederrhein ab. Hier haben die Germanen
seit langem ohne Unterbrechung die linksrheinischen Belgier beunruhigt, i)
Im Moseltal fürchtete man neuerdings eine swebische Invasion, die denn
auch nicht ausgeblieben und ein Anreiz zu immer erneuten swebischen
Ausmärschen geworden ist.
Von den Treverern wurde im Jahr 58 an Caesar gemeldet, eine swebische
Mannschaft sei unter Führung der Brüder Cimberius und Nasua am Rhein
erschienen und beabsichtige, diesen Strom zu überschreiten. 2)
Im Lahntal hatte sich vor Menschengedenken (Hallstattperiode S. 182)
eine deutsche Bevölkerung auf Kosten der altansässigen Kelten ausgebreitet.
Sie wird Ubier genannt, 3) stand im gallischen Verkehr, hatte es in Nassau
zu blühendem Wohlstand gebracht und gallisches Wesen angenommen.-*)
Zu ihnen haben sich nun jene Sweben des Cimberius und Naswa ins Land
gelegt und sind den Ubiern ernstlich zur Last gefallen, soweit sie sich nicht,
wie das bei den Sweben der Brauch war, von den Treverern haben anwerben
und im Dienst gegen die Römer besolden lassen.^) Erst die Niederlage
des Ariowist nötigte auch diese mittelrheinischen Sweben zur Heim-
kehr. «) Dabei nützten die Ubier die Gunst der Lage, überfielen die abrückenden
Ruhestörer und brachten ihnen erhebliche Verluste bei.'') Aber
aufs neue gerieten die Sweben mit den Ubiern in Händel, quartierten sich
bei ihnen ein und maßten sich Herrenrechte an. Durch die damit verbundenen
Ausgaben — die Landwirtschaft war bei noch unentwickeltem
Ackerbau nicht sehr einträglich — erfuhren die Ubier eine erhebliche Einbuße
an Kapital und Kredit.*) In der Stunde der Not erschien der Anschluß
an die Römer als die vorteilhafteste Politik. Gemeinsame Sache machten mit
ihnen noch andere unmittelbar am Rhein sitzende Germanen. Dabei wird
man zumeist an die südwärts vom Taunus auf die Ubier folgenden Mattiaker
(S. 182 f.) ein regsames deutsches, aber römisch gesinntes Volk zu denken
haben. Sie dürften im Verein mit den Ubiern im Jahr 57 dem römischen
Befehlshaber ihre Ergebenheit ausgedrückt haben. ^) Daran knüpften sich
weitergehende Verhandlungen mit dem Erfolg, daß noch vor dem Jahr 55
ein Bündnis mit Rom zustande kam.
^) Belgae ... proximi sunt Germanis qui ®) Der Tod des Ariowist war ein welt-
1
I
trans Rhenum incolunt, quibusciim conti- geschichtliches Ereignis, sofern man ihn
nenter
')
bellum gerunt Caesar 1,1.
Caesar 1, 37 gibt ihre Zahl auf centum I
unter dem Gesichtswinkel betrachtet, daß
durch ihn und durch die Maßnahmen Caesars
pagi an. die Gefahr einer gemeinsamen Aktion der
Gallier und der Germanen beschworen wurde
') Ubii qui proximi Rhenum incolunt [
Caesar 1, 54. transrhenani 4, \6. {magno esse Germanis dolori Ariouisti
*) Ubii quorum fuit ciuitas ampla at- ,
. . . si Gallia omnis cum Germanis
que florens, ut est captus Germanorum et
mortem
consentiret Caesar 5, 29; vgl. 55).
\
\
paulo, quam sunt eiusdem generis, et ceteris
humaniores, propterea quod Rhenum attingunt
multumque ad eos mercatores ven-
'•)
**)
Caesar 1, 54.
{übios) cum Sueui multis saepe bellis
experti propter amplitudinem grauitatemtitant
et ipsi propter propinquitatem Gal- que ciuitatis finibus expellere non potuislicis
sunt moribus assuefacti Caesar 4, 3.
') Caesar 6, 2. 7— 9; vgl. 3, 11. 4, 6. 5,
sent, tamen uectigales sibi fecerunt ac multo
humiliores infirmioresque redegerunt Caesar
2. 3. 27. 55. Im Jahr 52 traten die Germanen 4, 3; vgl. Zippel S. 15.
im Moseltal schon entschiedener auf (Caesar ^) Caesar 2, 35; die Ubier waren zuerst
7,63). — Werbung der Bellovaci S, 10. auf eigene Faust vorgegangen (4,16) ;//rf^s6, 9.
16*