Deutsche Altertumskunde

2. Die Römer in Deutschland. § 53. Germanen an der Donau. 333
geführte diplomatische Verhandlungen täuschten die Cäsaren über die ehr-
geizigen Ziele, die Marbods römische Uniform verdeckte.
Erst Tiberius scheint ihn durchschaut zu haben. Er hat seine Niederwerfung
sorgfältig vorbereitet, ist ums Jahr 5 n. Chr. bis zur mittleren Elbe
vorgedrungen und hat die Cherusken dem Marbod abspenstig gemacht;
seinem geschickten Auftreten war es auch zu verdanken, daß die Langobarden
und Semnonen sich von den Markomannen abwandten und gleich
den Cherusken dem Augustus ihre Freundschaft bezeugten, i) Die Markomannen
waren isoliert, ließen sich aber auf die römischen Anträge nicht ein. ä)
Erst zu Anfang des Jahres 6 n. Chr. war für Tiberius der richtige
Augenblick gekommen, um sein Werk zu krönen. Sein Plan war, den ge-
fährlichen Mann zwischen zwei Puffer zu bringen. Von Mainz her setzte
Tiberius die römische Besatzung in Marsch, er selbst brach von Carnuntum
auf. Zwölf Legionen waren damals gegen Marbod unterwegs; die Beute
schien ihnen absolut sicher zu sein — da erhoben sich im Rücken des
Tiberius die Pannonier und hemmten den klug berechneten Schlag. ») Hätte
jetzt Marbod sich zu einer kühnen Tat entschlossen, mit den Pannoniern
gemeinsame Sache gemacht und durch einen militärischen Erfolg die den
Römern dienstbar gewordene germanische Welt zum Freiheitskampf begeistert,
die Römer wären schon jetzt aus Deutschland verwiesen worden.
Statt dessen machte der Böhme vor der Staatskunst des Tiberius seine
Reverenz und ließ die römischen Legionen vertragsmäßig abziehen.*) Damit
war dem Tiberius ein großer Sieg ohne Schwertstreich gelungen. Er hat
sich dessen noch lange gerühmt, wie er des Marbod gefährliche Pläne zunichte
gemacht habe^) und wir verstehen vollkommen, weshalb Arminius
den Marbod als Trabanten des Caesar und als Vaterlandsverräter gebrandmarkt
hat, 6) mußte er es doch erleben, daß Marbod ein Bündnis mit den
Cherusken ablehnte und die deutsche Siegestrophäe, den Kopf des Quinctilius
Varus, an Augustus auslieferte.''} Marbod schien die Römer gegen
die Cherusken aufhetzen zu wollen, vielleicht in der Meinung, daß beide sich
in Attacken erschöpfen würden; dann hätte er am Ende über beide triumphiert
und sich doch noch zum Imperator über Germanien aufgeworfen. Wie
allerorten so hatte er auch bei den Cherusken vertraute Freunde, die bei
einer Schilderhebung zu verwenden waren. ^j Aber sein Garn war zu fein
gesponnen.
Der Aufstand in Pannonien wurde von Tiberius niedergeschlagen, die
Donau endgültig im Jahr 10 als Reichsgrenze festgelegt'*) und im Jahr 16
von Augustus der Befehl erteilt, die Operationen gegen die binnenländischen
Germanen einzustellen. Jetzt brach unter diesen heftige Erregung gegen
*) Res gestae diui Augusti p. 104. — Bei ) Tacitus, Ann. 2, 46
diesem Anlaß ist der Cheruske Arminius mit *) Tacitus, Ann. 2, 26
seinem Bruder ins römische Heer eingetreten
(Tacitus, Ann. 1, 58, vgl. Velleius 2, 105).
2) nihil erat iam in Germania qiiod uinci
possetpraetergentem Marcomannorum, quae
Maroboduo duce excita sedibus suis atque in
interiora refugiens incinctos Hercynia silua i
*)
*) Tacitus, Ann. 2, 45.
Velleius 2,119.
*) Der Cheruske /rtgmb/w^r ist samt seiner
Gefolgschaft zu Marbod übergegangen (Taci-
tus, Ann. 2, 45).
Nur im Jahr 14 bedrohten die Sweben
cfl7n/705 /rtco/^^a^ Velleius 2, 108. noch einmal Raetien (Tacitus, Ann. 1, 44).
") Velleius 2, 109. Tacitus, Ann. 2, 46. 1