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Deutsche Altertumskunde

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3. Germania. B. Kulturverhältnisse. § 73. Ausländische Kontraste. 419<br />

von vorausblickender Fürsorge angespornte Land- und Hauswirtschaft, haben<br />

kein Hauswesen, kein Familienleben und keine Ehe, wohnen nicht einmal<br />

in Häusern, sondern unter primitiven, aus Baumzweigen geflochtenen Zelt-<br />

dächern. Sie sind dem Zauber ergeben und haben noch keine Götter.<br />

Ihr einziger Beruf, den die Weiber mit den Männern teilen, ist die Jagd,<br />

ihre einzige Waffe der Knochenpfeil, ihr einziger Anzug das Tierfell. i) In<br />

ihrer Wunsch- und Bedürfnislosigkeit, in ihrer Gleichgültigkeit und in ihrer<br />

Arbeitsscheu sollen sie sich aber sehr wohl und glückUch fühlen. 2) Von<br />

Tacitus wurden sie auf eine niedrigere Kulturstufe als die der Nomaden<br />

gestellt. 3)<br />

Als typische Nomaden reiht er den deutschen Völkern die benachbarten<br />

Sarmaten an, bei denen aber auch alles anders war wie bei den Germanen.*)<br />

Ihr auszeichnendes Merkmal ist den Renntier-Finnen gegenüber<br />

das Pferd, das ihre Wohnung zog, den Zeltwagen. Über diese fahrende<br />

Existenz hatten sich die Slaven, die als Halbnomaden sonst vieles noch<br />

mit den Sarmaten gemein haben, erhoben, denn sie haben zwar feste<br />

Wohnsitze und fest im Heimatboden wurzelnde Häuser, führen aber eine unstäte<br />

Lebensweise, scheinen ihr Dasein für ihre Streifzüge zu vergeuden<br />

und auf der Stufe primitiver Raubwirtschaft stehen geblieben zu sein. Darin<br />

gleichen sie übrigens schon einigermaßen den Germanen, 0) mit denen sie<br />

auch darin übereinstimmen, daß sie kein Reitervolk wie die Sarmaten«)<br />

sind, sondern ein hurtiges Fußvolk,^) daher zum Heergewäte des Mannes<br />

auch bei den Slaven der Schild gehörte, den die mit Pfeil und Bogen<br />

hantierenden Nomaden nicht kannten.«)<br />

Noch eine Stufe höher als die Slaven stellte Tacitus die von den<br />

Sarmaten beeinflußten 3) und je weniger nomadenhaften, um so mehr den<br />

Germanen ähnelnden Bastarnen. Sie erscheinen ihnen gleichartig nicht<br />

bloß was die Siedelungsweise, sondern auch was Sprache und Sitte und<br />

Lebensführung betrifft. 1°) Als echt germanisch mutete den Römer die bei<br />

hoch und nieder mangelnde Sauberkeit an und die allgemein übliche Vernachlässigung<br />

des äußeren Menschen nebst der bei den höheren Ständen<br />

auffallenden geistigen Trägheit und Dumpfheit, i^) Im übrigen konnte<br />

man nach dem Urteil des Tacitus Bastarnen und Germanen nicht ver-<br />

1) Vgl. hierzu Germ. c. 17.<br />

'*) Germ. c. 46. Baumstark 2, 328«.<br />

Müllenhoff, da. 2, 40 ff. Man hört bei<br />

Tacitus Anklänge an die Art, wie nach ihm<br />

bei den Germanen die Kinder aufwachsen<br />

(c. 20); feritas gebraucht er sonst nur von \<br />

den Hariern c. 43.<br />

^) Er schließt seine dem animalischen<br />

Triebleben huldigende Finnenschilderung ab<br />

mit dem Ausblick auf Völker, die auf ganz<br />

tierischer Stufe stehen {ora hominiim voltusque,<br />

Corpora atqiie artus ferarum c. 46).<br />

*) omnia diuersa Sarmatis sunt Germ.<br />

C.46.<br />

*) Nur ist zu berücksichtigen, daß Tacitus<br />

die Slaven geradezu als Räubervolk<br />

definiert (vgl. hierzu z. B. Germ. c. 35 nullis<br />

raptibus aut latrociniis populantur).<br />

«) Vgl. Tacitus, Histor. 1, 79.<br />

) Vgl- plus penes peditem roboris Germ,<br />

c. 6. omne robur in pedite c. 30 (im Gegen-<br />

satz dazu Tencteri c. 32).<br />

«) Baumstark 2, 319 ff. Müllenhoff<br />

2, 34 ff.; der Trieb nach bürgerlicher und<br />

staatlicher Ordnung blieb schwach und ließ<br />

es nicht zu geschlossenen Volksgemsinden<br />

und Individualitäten kommen (S. 90).<br />

*) non nihil in Sarmatarum habitum:<br />

mulhim ex moribus Germ. c. 46.<br />

'") Dasselbe gilt für Bari und Marsigni<br />

c. 43.<br />

'«) Vgl. Germ. c. 15. 17. 20: ut Germani<br />

agunt, sordes omnium, torpor procerum<br />

C.4G.<br />

27*

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