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Deutsche Altertumskunde

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306 II- Historischer Zeitraum. A. Westgermanen und Ostgermanen.<br />

zu entsprechen, denn noch heutzutage sprechen wir vom „Boden" eines<br />

Hauses, auch wo wir den Dachboden seines obersten Stockwerks meinen. i)<br />

Unser Dachraum entspricht in seiner Raumform der primitiven Dachhütte, so<br />

daß behauptet werden darf, der neue Haustyp der Germanen sei nach<br />

keltischem Vorbild vollends dadurch entstanden, daß sie das Dach ihrer<br />

heimatlichen Hütten durch die den Kelten entlehnten Ständer in die Höhe<br />

hoben. Das ältere Erdgeschoß wurde dadurch Dachgeschoß und darunter<br />

dehnte sich eine Halle mit einer Folge von luftigen Gefachen, die den<br />

Sprachgebrauch rechtfertigen, daß eine Wohnung nicht bloß unter Dach,<br />

sondern unter Dach und Fach gebracht sei.<br />

Die sprachlichen Bezeichnungen für das neumodische Haus sind nicht<br />

mehr alle gemeingermanisch, 2) sondern zum Teil nur westgermanisch, 3) ge-<br />

statten also eine Zeitbestimmung und lassen die beginnende Differenzierung<br />

der nordgermanischen und der westgermanischen Wohnräume hervortreten.<br />

Dei stender, dal is de anfang von dat hus, sagt der niedersächsische<br />

Bauer.*) Es waren ursprünglich rohe Baumstämme, 0) deren Höhe einen<br />

helleren und luftigeren, hallenartigen Wohnraum ergab, in dem nun auch<br />

als besonders wichtiger Fortschritt ein Herd als verbesserte Feuerstätte an-<br />

gelegt werden konnte (Taf. 27, 1).^)<br />

Zum Schutz gegen die Unbilden der Witterung waren fortan Seitenwände<br />

erforderlich, nachdem das Dach über den Erdboden durch die<br />

Ständer erhöht worden war. Ruten (Staken) wurden unter dem Dachrand<br />

eingesetzt, das Zaunholz hürdenartig durchflochten^) und von innen und<br />

außen mit nassem Lehm überzogen. Noch in den neueren Zeiten hat sich<br />

diese Technik in Norddeutschland erhalten, bis der Backstein im 18. Jahrh.<br />

zur allgemeinen Verwendung beim Bauernhaus gelangte.«) Das Einsetzen<br />

und Ausfiechten der Ruten {„tänen" zäunen) besorgten die Männer, die<br />

Frauen machten sich mit dem Lehmen des Flechtwerks zu schaffen. Die<br />

ganze Nachbarschaft stellte Hilfskräfte. Jedes Mädchen brachte einen Eimer<br />

») Zeitschr. f. d. Phil. 39, 291 f.; vgl. 1 ahd.istudiT.stollo (Säule), ags.stupan-scea/tas<br />

Mannus 2. 243. Idg. Forsch. 17, 133. 135.<br />

') Allen Germanen ist die Zweiteilung \<br />

*') Die im Innern des Hauses auf dem<br />

des Hauses in Erdgeschoß und Oberstock<br />

''<br />

Flett gelegene Feuerstätte heißt gemeinwestgcmeinsam,<br />

daher ist ihnen auch (statt des kel- germanisch '^herpa > ags. heorp, engl, heart/i,<br />

tischen Fremdworts S. 305) ein heimischer afries. and. hertfi, ahd. fierd; die Herkunft<br />

Ausdruck (anord. lopt, engl, loft, mnd. lucht) des Wortes ist nicht bekannt (man vergleicht<br />

fUrden Oberst ockgcliJuTig; nächstverwandt goi. hauri [Kohle], anord. hyrr [FeucrJ; lat.<br />

ist ahd. louba (Laube) > löge, logeia, wozu carbo). Ein zweiter, in Nordfriosland nocli<br />

sich entsprechende slavische Ausdrücke heute für den „Herd" üblicher Ausdruck ist<br />

1<br />

!<br />

'.<br />

stellen lassen. Für .Stünder' kommt in Be- anord. eldr (dän. ild), ags. wled, and. eld:<br />

tracht anord. 5/{;/?w//, ags. .sYfloo/, engl, staple, wahrscheinlich ein keltisches Lehnwort (uraUlci.<br />

staput, mnd. ä/a^«?/ (Pfosten, Sflule). kell. -^'nileta Herd). ,ülülicnde Kohle" Iioißt<br />

*) So z.B. das alte Wort für .Stander- anord. glöp, ags. ijAW, ahd. gliiot (ühit);<br />

haus* (ags. reeceä, and. racud, ahd, rahhat) I dazu anord. ghpa, ags. :^l(''dan (nnzünden).<br />

und das Wort .Fach* (ags. /«fc, afries. /^ä,<br />

and. mnd. mn\. fak, aha. /ah : durch Wände<br />

; ^) ags. wdhwindan, and. wegos wirkian,<br />

nl. nd. wikh (Wand) fries. wdcli Nd. Jahrodcr<br />

Mauern abgeteilter Raum) Idg. Forsch.<br />

]<br />

buch 26, 116 ff. (dazu anord. vci^^gr, got.<br />

16, 176. ' waddjns}).<br />

:!<br />

PesSLCR, Bauernhaus S. 107.<br />

and. treo, böm (Balken); mnd. mhd.<br />

, ") Jostes, Westfälisches Trachtenbucli<br />

S. 27 L Kück, nauernicbcn der Lüneburger<br />

Stock bczelchnci die aufgehende Mauer eines Heide S. 187 f. Zeitschr. f. d. Phil. 39, 290 f.<br />

Oebfludes (Stockwerk), von Haus aus aber Pessi.hr in den Mitteilungen aus d. Mus. f.<br />

dat Gerüst aus Stocken (BaumstAmmcn); hamburg. Geschichte 1, 17.

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