Deutsche Altertumskunde

360 II- Historischer Zeitraum. A. Westgermanen und Ostgermanen.
glimpflich verfahren/) man glaubte, fortan auch sie der zersetzenden inneren
Krisis überlassen zu dürfen. ä)
Die Erbitterung, die im Land herrschte, war durch den Friedensschluß
noch nicht beseitigt. Erst als Corbulo das Kommando am Niederrhein
übernahm, stellten die Friesen Geiseln und fügten sich der römischen Verwaltung.
Diese überließ ihnen römisches (unter Drusus [S. 327] erworbenes)
Fiskalland, d. h. es entstand jetzt am Vlie die jüngste Friesenkolonie
als eine römische civitas friesischer Nation unter der Bezeichnung Frisiaiiones
mit bürgerlich-städtischen Ordnungen, mit Magistratsverfassung und
mit stehender römischer Garnison. s) Als äußeres Zeichen der Huldigung
hatte die Bevölkerung den Römern ein Hilfskorps zu stellen und den
Lotsendienst zu besorgen.'*)
Unter Caligula kam es im Jahr 40 auch am Niederrhein zu örtlichen
Unruhen,-^) aber dieser Herr durfte es noch wagen, mit Galliern und Germanen
soldatischen Mummenschanz zu treiben und als Maskenscherz im
Lande der Batawer Kriegsmanöver zu veranstalten. ß) Erst in den vierziger
Jahren mußten die Römer ernsthaft einschreiten. Ein Cananefate namens
Gannascus hatte unter der Chauchenmannschaft zu einer Wikingerfahrt ins
reiche Gallien geworben. Dieser Abenteurer war lange römischer Auxiliar
gewesen, danach desertiert und jetzt auf einen Piratenstreich verfallen.
Aber Corbulo ließ die Boote der Seeräuber in den Grund bohren, Gannasc
entkam aufs Festland zu den Großchauchen und wurde dort von römischen
Häschern stumm gemacht. Die Wirkung solchen Friedensbruchs war eine
unerwartete. Die Chauchen empörten sich, Corbulo mußte (47) in ihr
I^nd marschieren und hat erfolgreich gegen sie gefochten. ^) Schon war
er darauf bedacht, ein Feldlager aufzuschlagen — da kam der Befehl des
Kaisers, die Feindseligkeiten in Germanien einzustellen und die Truppen
über den Rhein zurückzuziehen. Corbulo gehorchte, zog an den Rhein
und baute, um die Anfahrt zur fossa Drusiana zu beschleunigen und zu
sichern, zwischen Maas und Altem Rhein einen 23 römische Meilen langen
KandX {fossa Corbulonis = ¥\\Qi bei Leiden?).«) In den folgenden Friedens-
jahren wurde auch der Drususkanal ausgebaut, Mosel und Saone durch
eine Wasserstraße verbunden und dadurch einem regeren Schiffsverkehr
zwischen Süd- und Nordeuropa das Tor geöffnet.")
§ 57. Der Freiheitskampf der Batawer. Die Romanisierung der
niederrheinischen Völkerschaften war nicht mehr aufzuhalten. Von den
i
') Tacitus, Ann. 4, 72—74.
*) Kinc AbtcJlunj» von 400 Mann hat die
///7/fl (Wirtschaflshof) des I-ricsen Cntptorix,
tantum rutilare et siimmittere comam,
sed et sermonem Germanicutn addiscere
et nomina barbarica ferre); vgl.
eines früheren römischen Offl/icrs. besetzt, ist
aber am Parteihader /ugrtindc KCßanycn Ann.
' Dio 59, 21. Tacitus, Germ. c. 37.
') Tacitus, Ann. 11,19; vgl. Siicton, Clau-
4, 73. diiis 24 {Gabinio Scciindo Chaticis gcnte Ger-
•) Tacitus, Ann. II, 19. Pllnius, nat. hisl. manica superatis cognomen Chancius usur-
4,103.CIL.XIII,2,()19,VKl.LSCHMiDT,AIIgcm. pare concessit).
Oesch.d.Kcrman.VollterS. 15^; obenS.327f. ") Tacitus, Ann. 11,20 (/////// aliud pro-
*) cohors I l'risiauonum BANG, üernianen
im röm. Dien«! S. 40. 99.
') Suclon. Callyula 51. vgl. Neue Melde!locnttts
quam bratos qiiondam duccs Romanos
Signum receptui dedit); Dio (iO, 30. Klio 9.
W f. A. Nori.ino, Klicindcila S. 82 ff.
berger Jahrb. 6, 15'i. Na»». Annalcn 34, 20. ") Tacitus, Ann. 13. 53: quictae ad id trm-
•) Sucton, Cali({ula 43. 45 ff. (cnegit non pus res in Germania fuerant.