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Deutsche Altertumskunde

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3. Germania. B. Kulturverhältnisse. § 79. Haus und Hof. 463<br />

gezäuntes oder umwalltes Gartenland, auf dem Gemüse gezogen wurde, i)<br />

falls dies Land nicht als Ackerland oder Viehweide diente. 2) Jenseits dieser<br />

Hauskoppel begann die Feldflur des Dorfes.^) Haus und Hof und die zu-<br />

nächst bei den Häusern gelegenen Hauskoppeln oder Hausäcker*) standen<br />

im Privateigentum einer Sippe oder FamiHe;^) erst weiter hinaus schließt sich<br />

die in Genossenschaftseigentum verbleibende Dorfflur an, deren Grenze die<br />

Mark (Allmende) bildet. Hier gab es Katenstellen für die jüngeren oder<br />

überhaupt für die unverheirateten Söhne, die nicht Losgenossen der Flur<br />

geworden sind,'') besonders auch für Abkömmlinge unehelicher Geburt')<br />

und für andere freie oder freigelassene Parzellenpächter (coloni), die ihren<br />

adeligen Grundherren Rente zu zahlen hatten. «) Außerhalb der Zäune des<br />

Herrenhofes hatte der einzelne wohl Nutzungsrechte, aber keinen Grundbesitz;<br />

die Hagestolze und Kossäten, die ihrem Herrn einen Jahreszins an<br />

Getreide und Vieh, Leder, Wolle und Leinwand abzuliefern hatten, 9) im<br />

übrigen selbständig in eigener Wirtschaft tätig sind,io) können also nur auf<br />

den Losteilen der einzelnen Markgenossen ihrer Hantierung nachgegangen<br />

sein. 11)<br />

Enden eine Tür (S. 455) ; mitten in dem dreischiffigen<br />

Hallenraum, auf dem Golf (Fußboden<br />

des Mittelflurs) befanden sich die<br />

Feuerstätten und die Kochlöcher; in den<br />

niedrigeren Seitenschiffen die Bänke, auf deren<br />

Polster auch geschlafen wurde; die kleinen<br />

Tische (bord) wurden vor diese Bänke bei<br />

den Mahlzeiten hingesetzt und nach Beendigung<br />

des Mahls wieder weggenommen.<br />

Grettissaga 14, 9 heißt es: das war Brauch<br />

in jener Zeit, daß auf den Höfen große<br />

Hallen waren, da saß man des Abends bei<br />

den Langfeuern, es wurden Tische vor die<br />

Leute gesteht und nachher ging man von<br />

dem Flur (auf die Bänke hinauf) schlafen.<br />

Über den Ehrenplatz des Hausherrn<br />

(anord. (^ndvegi) steht so viel fest, daß er<br />

in der von Osten nach Westen orientierten<br />

Halle in der Mitte der im nördlichen<br />

Seitenschiff angebrachten Bänke zu suchen<br />

und durch zwei den Hochsitz begrenzende<br />

hölzerne Pfosten ausgezeichnet worden ist<br />

(Rhamm S. 591, vgl. 595. 603 u. ö.).<br />

') Der intensive Obstbau der Römer war<br />

unbekannt (Müllenhoff, DA. 4, 377. Germ,<br />

c. 26).<br />

^) Es ist der sog. Hausacker — in Nordfriesland<br />

und Dänemark ebenfalls toft gegenannt<br />

(Hennings S. 28) — oder die Hauskoppel<br />

(Hennings S. 30 f.), vgl. Rhamm,<br />

Beitr. 2, 1, 71 ; diese Hauskoppeln heißen nd.<br />

worden ( : wart<br />

S. 461), ags. weonlig. wyrping<br />

(eingezäunt) Rhamm 1, 79 f. Haff, Dan.<br />

Gemeinderechte 2, 2 ff. (Toftäcker).<br />

^) Hier sind namentlich die Ausführungen<br />

Haffs a. a. O. über die zunächst angrenzenden<br />

Flachsbleichen zu berücksichtigen (Haarbeunden).<br />

*) „Pferde und Gespanne darauf zu<br />

weiden, Hanf, Hirse oder Flachs zu bauen.<br />

Kleinvieh und Jungvieh bei der Hand zu<br />

haben, auch wohl Bienen zu ziehen" Hennings<br />

S. 31.<br />

'") Dieser gesamte Familienbesitz hieß<br />

anord. öpal, ags. epel, and. ödil, ahd. uodal<br />

(vgl. Uodalrich > Ulrich); suam quisque<br />

sedem, suos penates regit Germ. c. 25.<br />

*) Sie heißen daher „Hagestolze" (= die<br />

einen Hag in der Mark besitzen) S. 449.<br />

') Hoops, Reallex. 1, 174. 214 ff. Rhamm<br />

1,74 ff. 153 f.<br />

*) suam quisque sedem, suos penates<br />

regit; frumenti modum dominus aut pecoris<br />

aut uestis ut colono iniungit Germ. c. 25;<br />

vgl. die niedersächsische adelige Grundherrschaft<br />

im frühen Mittelalter (Savigny-<br />

Zeitschr. 35, 270 f.). — Von der germanischen<br />

stach die römische Wirtschaftsordnung augenfällig<br />

ab: auf den größeren römischen Landbesitzungen<br />

beruhte die Wirtschaft auf dem<br />

Nebeneinander unfreier, eheloser, kasernierter<br />

Sklaven, die zurPlantagenarbeit imGroßbetrieb<br />

militärisch organisiert waren {discriptis per<br />

familiam ministeriis Germ. c. 25; Weber in<br />

Conrads Jahrbüchern 83, 459. Sering, Erbrecht<br />

und Agrarverfassung S.252f.). Beiden<br />

Germanen war der „Sklave" ein „Bauer",<br />

der mit dem röm. colonus (Pächter) von<br />

Tacitus verglichen wird; er hatte seinen<br />

eigenen Hausstand, eigenes Haus, Ackerland,<br />

Vieh und Arbeitskräfte, die ihm ermöglichten,<br />

dem Herren einen jährlichen Zins<br />

zu entrichten (Fleischmann, Caesar-Tacitus<br />

S. 26ff. 46 ff. 57 ff. Siebeck, Zeitschr. f. d.<br />

ges. Staatswissenschaft Erg.Heft 13, 33 ff. 38).<br />

9) got. gilstr {(pvQog), ahd. gelstar (uec-<br />

tigal, tributum).<br />

'") seruus hactenus paret Germ. c. 25.<br />

11) Als Großgrundbesitzer in der Art der<br />

römischen erscheint Civilis, wenn von seinen

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