Deutsche Altertumskunde

370 II. Historischer Zeitraum. A. Westgermanen und Ostgermanen.
Legion von Windisch gegen die Niederländer verwendet werden konnte
(S. 365). Die römischen Behörden gestatteten daher eine ausgedehntere und
dichtere Besiedelung ostwärts von der Öde des Schwarzwalds und begannen
gleichzeitig mit der militärischen Sicherung und Befestigung dieser
Reichsteile. Das war das Werk Vespasians.
Im Jahr 73 ließ er sein Heer in dieses rechtsrheinische Gelände einmarschieren
{adiiersus Germanos). Es stand unter dem Kommando des
Cn. Pinarius Cornelius Clemens, der anno 74 für den Erfolg dieser Ex-
pedition {bellum Germanicum) ausgezeichnet worden ist. Er hat das obere
Neckarland militärisch besetzt und durch eine Heerstraße aufgeschlossen. i)
Er ließ nämlich im Jahr 74 einen limes von Straßburg durch das Kinzigtal
über den Schwarzwald nach der Donau (Tuttlingen) ziehen, 2) der in der
Nähe des Flusses sich haltend bis nach Augsburg führte und hier in den
älteren Donaulimes einmündete. Wo diese Heerstraße Straßburg—Augsburg
den Neckar überschritt, wurde ein Kastell sowie ein dem Kultus der flavischen
Kaiser dienender Altar errichtet {Arae Flauiae = Rottweil)^) und
dieser wichtigste Platz außerdem durch eine Straße direkt mit dem Legions-
lager Windisch verbunden.'*)
Nicht lange haben sich die römischen Truppen mit der Linie Straßburg—Rottweil—Tuttlingen—Augsburg
begnügt. Ihre Befehlshaber mußten
wünschen, von der unteren Donau her nicht bloß ungehindert nach Straß-
burg, sondern nach Mainz zu kommen.^) Zu dem Zweck war es nötig,
daß sie alles Land zwischen den Linien Straßburg—Tuttlingen—Augsburg
und Mainz—Augsburg bezw. das darüber hinaus nach Nordosten sich erstreckende
Vorland in die Hand bekämen.
Dies geschah unter der Regierung des Kaisers Domitian. Mit seinem
Namen ist die Anlage eines neuen limes verknüpft. 6) Unter Domitian
wurde den Chatten, die sich damals bis in die waldigen Jagst- und
Kochergegenden (oder gar bis an den Fuß der Alb) ausgebreitet hatten,
ihr süddeutscher Besitz eingeengt) und sogar nördlich der Mainlinie die
Wetterau und der Taunus abgenommen.») Hier entstand jetzt (von Andernach
bis Hanau?) ein zirka 200 Kilometer langer Limes.») Die römische
Wacht am Rhein kam im Decumatenland an den Neckar zu stehen und
») Westd. Zeitschr. 3, 239 ff. Neue Heidelberger
Jahrb. 3, 9 ff. CiLXin,2,197. Klio, Bei-
heft VI, 43 f.; vgl. auch Bonn. Jahrb. 102, 90.
105, 64 f.
*) Ein Meilenstein dieser Linie ist bei dem
Kasteil Offenburg gefunden worden; auch bei
Waldmössingen (O.A. ObcrndorO wurde »auf
der Burghalde" ein Kastell errichtet (ORL. V
Nr.61b: die MUnzfunde und die Keramilt ent-
fallen auf die Jahre 80— 110, das Kastell ist
mithin frühzeitig aufgegeben worden, der Ort
aber rümische Sicdclung geblieben; Inschr.
Abnobae sacrum).
») CIL XIII, 2,211 ff.; vgl. Ptolemaios 2,
11, 15. Wir unterscheiden von den castra den
uicus mit Mauer (Rottwcil-Hochmaurcn), vgl.
P. OOESSLER, Das römische Rottweil, Stuttgart
1907.
*) CIL. Xin, 2, 212; unter den Funden an
dieser Straße sind die Erzeugnisse der älteren
Flavierzeit besonders gut vertreten. Von Windisch
führte die Straße über Tcnedo (Zurzach),
liiliomagus (Sclileithcim), Brigobanne (Hüfingen)
nach Arae Flauiae (Rottweil).
') iter conditum per feras gentes quo
facile ab usquc Pontico muri in Galiiam permeatur
Aurcl. Victor, Caesar. 13, 3.
«) Bonn. Jahrb. 119,189.
') Sic erstrecken sich aber immer noch
bis an die raetische Grenze; Jul. Capitolinus,
Vita Marci Antonini c.8, vgl. CIL. XIII, 2, 212.
«) Vgl. Nass. Annalcii 32, 1 ff. (nebst Tafel 1).
") limitibus per centum viginti milia passuum
actis Frontin, Slratagemata 1,3, \(y, vj^I.
Llmcsblatt Sn. 30(i. 560. 646 L Westd. Zeitschr.
21,203. ORL. III Nr. 35, 24.