Gróf Tisza István Összes Munkái 3.

Gr. Stürgkh Károlynak.
Hochverehrter Freund!*
302
1080.
Den 16. Mai 1915.
Für Deinen hochgeschätzten Brief vom 14. d. Mts. über die
Pflege und Förderung ungarischer nationaler Tonstücke bestens
dankend, erlaube ich mir meiner innigen Freude Ausdruck zu geben,
dass diese Anregung Deinerseits eine so sympatische Aufnahme
fand.
Ich würde Dich bitten im Wege Deines Presschefs positive
Anhaltspunkte meinem Pressbureau mitteilen lassen zu wollen,
welche dazu geeignet wären, diese Sache in der hiesigen Öffent-
lichkeit mussieren zu lassen. Gleichzeitig würde ich Sorge tragen,
dass hierzulande dasselbe mit Liedern und Tonstücken geschehe,
welche eine gewisse volkstümliche Bedeutung für die Völker
Österreichs haben und würde Dir für ein Verzeichnis solcher
Musikstücke sehr verbunden sein.
Nebenbei habe ich die Ehre zu bemerken, dass wir eine Königs-
hymne noch immer nicht besitzen und als solche bei offiziellen
Gelegenheiten Euere Volkshymne benützen, welche als solche in
den 50-er Jahren mit Hochdruck eingeführt wurde und infolge-
dessen eine leicht verständliche Animosität erzeugte. Gott sei
Dank hat sich dies langsam gelegt, so das Misstöne, welche noch
vor nicht sehr langer Zeit beim Spielen dieser Volkshymne wieder-
holt vorkamen, in den letzten Jahren beinahe verschwunden sind
und mit diesem Kriege wahrscheinlich ganz verschwinden werden.
Neben der Volkshymne werden bei feierlichen Gelegenheiten
zwei von unseren besten Dichtern verfasste Lieder gesungen
(Hymnus von Kölcsey und Szózat von Vörösmarty), welche ge-
Avissermassen als Volkshymnen betrachtet werden. Es wird in
diesen die leidensschwere Vergangenheit Ungarns verherrlicht und
Gottes Segen auf seine Zukunft erbeten. Obwohl sie keine direkte
Erwähnung des Herrschers enthalten, sind sie nichts weniger als
antidynastisch und können auch in Gegenwart von Mitgliedern des
Herrscherhauses gespielt oder gesungen werden. Es würde den
allerbesten Effekt machen, wenn Musikkapellen an den in Deinem
* L. 1061. sz.