Heinz R. Pagels Cosmic Code - Globale-Evolution TV
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2. Der Anfang der Reise: Moleküle, Atome und<br />
Kerne<br />
140<br />
Als Rutherford gerade eine seiner Entdeckungen gemacht<br />
hatte, meinte sein Kollege Arthur Eve: »Sie sind<br />
ein Glückspilz, Rutherford, immer ganz oben auf dem<br />
Wellenberg!« Er darauf lachend: »Na ja, schließlich<br />
habe ich die Welle ja auch selbst gemacht!«<br />
Manchmal habe ich das Gefühl, ich lebe in einem dreidimensionalen Film, der vor<br />
vielen Milliarden Jahren mit dem Urknall begonnen hat, in dem das Universum entstanden<br />
ist und seitdem läuft. Alles im Universum, die Sterne, die Sonne, die Erde, mein und<br />
Ihr Körper, gehören zur Szenerie. Wir kommen alle in dem Film vor; es ist der einzige,<br />
der in der Stadt läuft. Noch ist nicht klar, wie sich die Handlung entwickelt, ob der Film<br />
überhaupt eine Handlung oder einen Regisseur hat. Als Physiker interessieren mich die<br />
Bauten für diesen 3-D-Film, woraus sie bestehen und wie die Maschinerie funktioniert.<br />
Ich habe mir den Film nicht gewünscht, wollte auch nicht in ihm auftreten, aber jetzt<br />
finden wir uns doch alle in diesem kosmischen Streifen.<br />
Die Philosophen des Existentialismus sprechen vom »in die Welt Geworfensein«, aber<br />
mir ist die psychiatrische Beschreibung der »Dissoziation« lieber. Der Mensch kann<br />
seinen Geist von der Welt trennen und sich Metaphern wie den kosmischen 3-D-Film<br />
ausdenken. Metaphern sind frei geschaffene Symbole, die über die Welt hinausgehen und,<br />
wenn wir sie alle nutzen, unser gesellschaftliches Erleben neu gestalten. Das ist die große,<br />
manchmal gefährliche Macht von Symbolen. Nach diesen Warnungen wollen wir uns<br />
aber noch weiter in die Vorstellung vom Universum als einem 3-D-Film vertiefen und<br />
fragen: »Was ist das? Wer hat das angeordnet?« Die Physiker stellen diese Fragen jetzt<br />
gerade.<br />
Um sie zu beantworten, untersuchen die Theoretiker die Spuren, die sie mit ihren Materiemikroskopen<br />
finden und versuchen durch geschicktes Raten, ihre Version vom<br />
großen 3-D-Film zu entwickeln. In unserem Jahrhundert haben sie sich durch fünf Materieniveaus<br />
wie durch die Schalen einer Zwiebel hindurchgearbeitet: die Moleküle,<br />
Atome, den Kern, die Hadronen und die Quarks. Jedes Niveau wurde mit neuen Experimentierverfahren<br />
und mit Hilfe von Materiemikroskopen entdeckt, die auf immer kürzere<br />
Entfernungen sondieren konnten. Durch genaue Messungen dieser fünf Niveaus der<br />
Materie haben die Physiker etwas über die Eigenschaften der Wechselwirkungen erfahren,<br />
die diese Niveaus geschaffen haben.<br />
In diesem Kapitel und den nächsten Kapiteln wollen wir die fünf Materieniveaus eingehender<br />
erforschen, also die Moleküle, Atome, Kerne, Hadronen bis hinunter zu den<br />
Quarks. Sie sind die Besetzung, die Darsteller in unserem kosmischen 3-D-Film. Nach<br />
der Besetzung kommt der eigentliche Film, kommen die Wechselwirkungen zwischen<br />
unseren Darstellern, die durch andere Quanten, die sogenannten Gluonen, vermittelt<br />
werden. Schließlich wollen wir das Spiel der Teilchen analysieren, um festzustellen, was<br />
es als Abbildung der materiellen Realität bedeuten könnte. Eines Tages entdecken die<br />
Experimentalphysiker vielleicht hinter den Quanten und auf noch kleineren Abständen<br />
neue Materiearten. Dann müssen wir unsere Analyse unter Umständen neu überdenken.