Heinz R. Pagels Cosmic Code - Globale-Evolution TV
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Symmetrie geworden, und Aufgabe der modernen theoretischen Physik ist es, die Symmetrien<br />
der Welt zu entdecken. Die Geschichte der modernen Physik handelt zum größten<br />
Teil von der Entdeckung neuer Symmetrien.<br />
2. Allgemeingültigkeit und Einfachheit physikalischer Gesetze<br />
Vor Jahren habe ich den in China geborenen Nobelpreisträger der Physik T. D. Lee nach<br />
seinen Bildungseindrücken aus der Zeit gefragt, bevor er als Student zu dem Physiker<br />
Enrico Fermi nach Chicago ging. Was hatte ihn als Studenten in China besonders beeindruckt,<br />
als er zum ersten Mal mit der Physik in Berührung kam? Wie aus der Pistole geschossen,<br />
kam Lees Antwort, sein stärkster Eindruck sei die Vorstellung von der Allgemeingültigkeit<br />
der physikalischen Gesetze gewesen, der Gedanke, dass die für bestimmte<br />
Phänomene auf der Erde oder im eigenen Wohnzimmer geltenden physikalischen Gesetze<br />
in gleicher Weise auf dem Mars Anwendung finden. Diese Überlegung sei für ihn neu und<br />
bezwingend gewesen.<br />
Ein Beispiel dafür ist das Newtonsche Gesetz von der universellen Gravitation, das<br />
nicht nur in bestimmten Augenblicken gilt, sondern zeitlich indifferent ist. Außerdem<br />
vereinheitlichte Newtons Gesetz die Gravitation auf der Erde und die Gravitation im<br />
Himmel; es ist auch indifferent im Hinblick auf den Ort. Newton begriff, dass die Regeln,<br />
nach denen der Mond seine Bahn um die Erde zieht, ebenso für den Apfel gelten, der im<br />
Garten seiner Mutter vom Baum fällt. Ich stelle mir oft vor, dass Newton im Garten seiner<br />
Mutter sitzt, morgens den Mond erblickt und sich dabei denkt, dass der Mond ebenso auf<br />
die Erde zu fällt wie der Apfel. Nur die zentripetale Kraft, die aus der Bewegung des<br />
Mondes auf seiner Umlaufbahn entsteht, verhindert, dass er auf die Erde stürzt; wenn man<br />
den Mond anhalten könnte, fiele er wie ein Apfel herunter. Es hat Jahrtausende gedauert,<br />
bis der Verstand auf diese Erkenntnis vorbereitet war. Wir wissen heute, dass das Newtonsche<br />
Gesetz mit großer Genauigkeit auch die Bewegungen von Galaxien von mehreren<br />
Lichtjahren Durchmesser regelt. Das Gravitationsgesetz ist allgemeingültig.<br />
Diese Allgemeingültigkeit der physikalischen Gesetze ist vielleicht ihr hervorstechendstes<br />
Merkmal: Alle, nicht nur manche Ereignisse folgen derselben Universalgrammatik<br />
der materiellen Schöpfung. Das ist eigentlich überraschend, denn angesichts<br />
der Vielfalt der Natur ist nichts weniger zu erwarten als die Existenz allgemeingültiger<br />
Gesetze. Erst mit der Entwicklung der Experimentierverfahren und ihrer Interpretation<br />
mit dem Verstand konnte die erstaunliche Vorstellung bestätigt werden, dass die Vielfalt<br />
der Natur die Folge allgemeingültiger Gesetze ist.<br />
Das Wort »Theorie« kommt vom griechischen Wort für »sehen«. Der theoretische<br />
Physiker ist damit beschäftigt, die innere Logik der Natur wahrzunehmen. Seine Interpretationen<br />
der Natur heißen Theorien; es sind Bilder der materiellen Welt, die diese<br />
verständlich machen sollen; dazu müssen sie einfach sein. Die Vorstellung von der Einfachheit<br />
der physikalischen Gesetze ist für den Außenstehenden nicht ohne weiteres<br />
verständlich, denn die Physik scheint doch recht kompliziert zu sein. Aber sie ist eben<br />
dadurch gekennzeichnet, dass sich alle Komplikationen logisch aus einigen wenigen<br />
elementaren, dabei aber umfassenden Konzepten ergeben, wie ein Baum aus einem einzigen<br />
Samenkorn hervorgeht. Ein Student braucht vielleicht viele Jahre, bis er den einfachen<br />
Kern der Grundgesetze erfasst hat. Auch für den forschenden Physiker gehört die<br />
Erkenntnis, dass sich nach allem Bemühen Einfachheit einstellt, zu den Grundüberzeugungen.<br />
Wie Einstein einmal gesagt hat: »Das Ziel der Wissenschaft ist erstens das be-<br />
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