29.10.2013 Aufrufe

Heinz R. Pagels Cosmic Code - Globale-Evolution TV

Heinz R. Pagels Cosmic Code - Globale-Evolution TV

Heinz R. Pagels Cosmic Code - Globale-Evolution TV

MEHR ANZEIGEN
WENIGER ANZEIGEN

Sie wollen auch ein ePaper? Erhöhen Sie die Reichweite Ihrer Titel.

YUMPU macht aus Druck-PDFs automatisch weboptimierte ePaper, die Google liebt.

plementaritätsprinzip gelte für die Bestimmung des materiellen Aufbaus lebender Organismen.<br />

Wir könnten einen Organismus entweder töten, seinen Molekülaufbau bestimmen<br />

und kennten dann den Aufbau eines toten Organismus, oder wir könnten einen lebenden<br />

Organismus haben, jedoch seinen Aufbau nie kennenlernen. Bei der experimentellen<br />

Strukturbestimmung wird der Organismus umgebracht. Natürlich ist diese Ansicht<br />

völlig falsch, wie die Molekularbiologen beim Nachweis der molekularen Grundlage des<br />

Lebens bewiesen haben. Ich zitiere das Beispiel aber, weil es zeigt, dass selbst ein so<br />

kluger Mann wie Bohr ins Schleudern gerät, wenn er wissenschaftliche Prinzipien über<br />

ihren gewohnten Anwendungsbereich hinaus verwenden will.<br />

Wir kommen damit zu den beiden entscheidenden Befunden der Quantenrealität, die<br />

sich aus den Arbeiten von Heisenberg und Bohr, also aus der Kopenhagener Interpretation,<br />

ergeben. Erste Feststellung: Die Quantenrealität ist statistisch, nicht bestimmt. Auch<br />

wenn ein Versuch eigens zur Messung einer Quanteneigenschaft aufgebaut worden ist,<br />

muss die genaue Messung unter Umständen ganz oft wiederholt werden, weil einzelne<br />

genaue Messungen bedeutungslos sind. Die Mikrowelt existiert nur als statistische Verteilung<br />

von Messungen, und diese Verteilungen lassen sich in der Physik bestimmen. Der<br />

Versuch, sich ein geistiges Bild vom Ort und Impuls eines einzelnen Elektrons zu machen,<br />

das mit einer Messreihe konsistent ist, führt zum »unscharfen« Elektron. Das ist ein<br />

menschliches Konstrukt, mit dem versucht wird, die Quantenwelt nach der beschränkten<br />

Wahrnehmbarkeit unserer Sinne auszurichten. Wer sich mit solchen Konstrukten abgibt<br />

oder versucht, in einzelnen Ereignissen eine objektive Bedeutung zu entdecken, ist eigentlich<br />

immer noch ein versteckter Determinist.<br />

Zweites Argument: Es ist sinnlos, von den physikalischen Eigenschaften von Quantenobjekten<br />

zu sprechen, ohne dabei genau den Versuchsaufbau anzugeben, mit dem man<br />

sie messen will. Die Quantenrealität ist zum Teil eine vom Beobachter geschaffene Realität.<br />

Wie der Physiker John Wheeler sagt: »Ein Phänomen ist erst ein wirkliches Phänomen,<br />

wenn es beobachtet wird.« Das unterscheidet sich grundlegend von der Richtung<br />

der klassischen Physik. Max Born hat das so ausgedrückt: »Die Generation, zu der Einstein,<br />

Bohr und ich gehören, hatte einmal gelernt, dass es eine objektive physikalische<br />

Welt gibt, die sich nach unveränderlichen Gesetzen unabhängig von uns entfaltet; wir<br />

wohnen diesem Vorgang bei, wie das Publikum einem Schauspiel im Theater beiwohnt.<br />

Einstein hält das immer noch für die richtige Beziehung zwischen dem wissenschaftlichen<br />

Beobachter und seinem Versuchsobjekt.« Aber in der Quantentheorie beeinflusst die<br />

menschliche Absicht die Struktur der physikalischen Welt.<br />

Die Kopenhagener Interpretation der Quantentheorie hat also den Determinismus<br />

verworfen und an seine Stelle die statistische Natur der Realität gesetzt; sie hat die Objektivität<br />

aufgegeben und statt dessen akzeptiert, dass die materielle Realität zum Teil<br />

davon abhängt, wie wir sie beobachten wollen. Nach hundert Jahren war das Weltbild der<br />

klassischen Physik zerstört. Aus der Substanz des Universums, dem Atom, lernten die<br />

Physiker die Realität neu erkennen.<br />

Das ganze Jahr 1927 über saß Bohr unter vielen Diskussionen mit Heisenberg und Pauli<br />

an einer Arbeit, in der er seine Gedanken über die Komplementarität niederlegen wollte.<br />

Er wollte sie zuerst in Como auf einer Tagung zu Ehren des italienischen Physikers<br />

Alessandro Volta und dann auf der 5. Solvay-Tagung in Brüssel vortragen, an der viele<br />

der bekanntesten Physiker teilnehmen wollten, darunter auch Einstein. Einstein und Bohr<br />

hatten sich 1920 kennengelernt, als beide schon Physiker von internationalem Rang waren.<br />

Daraus entwickelte sich mehr als eine freundschaftliche Beziehung zwischen Kol-<br />

61

Hurra! Ihre Datei wurde hochgeladen und ist bereit für die Veröffentlichung.

Erfolgreich gespeichert!

Leider ist etwas schief gelaufen!