Heinz R. Pagels Cosmic Code - Globale-Evolution TV
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3. Das Rätsel der Hadronen<br />
I<br />
Alles, was nicht verboten ist, ist vorgeschrieben.<br />
- Murray Gell-Mann<br />
n den frühen fünfziger Jahren war die Besetzungsliste mit den Grundquanten in dem<br />
3-D-Film, den die Physiker studierten, noch recht kurz. Das sollte sich bald ändern.<br />
Die neuen Materiemikroskope, die in den fünfziger und sechziger Jahren gebauten Beschleuniger,<br />
arbeiteten mit energiereichen Protonenstrahlen und beschossen damit andere<br />
Protonen in einer mit flüssigem Wasserstoff gefüllten Blasenkammer. Nach Einsteins<br />
Relativitätstheorie lässt sich Energie in Materie umwandeln, und genau das tat die Energie<br />
der Protonen im Strahl, wenn sie mit anderen Protonen im Target zusammenstieß. Die im<br />
Strahl enthaltene Energie schuf die neuen Materieformen, die sogenannten Hadronen.<br />
Das Proton, das Neutron und das Pion, die ersten Hadronen, waren erst die Spitze des<br />
Eisbergs. Heute glauben die Physiker, dass es eine unendliche Vielzahl von Hadronen<br />
gibt; die meisten davon sind sehr instabil und zerfallen in weniger als einer Milliarde<br />
Milliardstel Sekunden in stabilere Hadronen. Als der italienisch-amerikanische Physiker<br />
Enrico Fermi die Proliferation der Hadronen miterlebte, meinte er dazu, wenn er gewusst<br />
hätte, dass dies das Ergebnis der Kernphysik sein werde, hätte er lieber Zoologie studiert.<br />
Fermi drückte damit die Enttäuschung vieler Physiker darüber aus, dass durch das<br />
Vordringen über den Kern hinaus die subnukleare Welt auch nicht einfacher wurde. Auch<br />
wenn man einen Strahl aus energiereichen Protonen auf andere Protonen auftreffen ließ,<br />
wie es in den Beschleunigerlaboratorien in Berkeley und Brookhaven in den Vereinigten<br />
Staaten, bei CERN in der Nähe von Genf und in Dubna und Serpuchow in der Nähe von<br />
Moskau geschah, wurde dadurch keine einfachere Struktur zutage gefördert. Stattdessen<br />
entstanden alle diese Hadronen. Was konnte die Hadronenvielfalt nur bedeuten? Vor<br />
diesem Rätsel standen die theoretischen Hochenergiephysiker in den sechziger Jahren.<br />
Wie stellten sich die theoretischen Physiker die Hadronen vor? Aus Experimenten<br />
Anfang der sechziger Jahre wusste man, dass die Hadronen eine definierte Ausdehnung<br />
im Raum aufweisen - im Gegensatz zum Elektron, das sich eher wie ein Teilchen zu<br />
verhalten scheint, das einem mathematischen Punkt gleicht. Man kann sich die Hadronen,<br />
das Proton zum Beispiel, als kleine Kugeln gebundener Energie ohne feststellbare innere<br />
Struktur vorstellen. Diese Hadronenkugeln konnten rotieren und wiesen eine elektrische<br />
Ladung und magnetische Eigenschaften auf, aber ihr Inneres war unbekannt, eine terra<br />
incognita.<br />
Dass sich die Hadronen wie kleine Kreisel drehen konnten, führte zum ersten Prinzip<br />
ihrer Klassifizierung. Der Spin, also der Eigendrehimpuls, eines Hadrons war wie der<br />
aller Quantenteilchen gequantelt und konnte nur bestimmte Werte annehmen, z. B. 0, 1/2,<br />
1, 3/2, 2..., also einen ganzzahligen oder halbzahligen Wert in bestimmten Einheiten.<br />
Nach diesem gequantelten Spin ließen sich die Hadronen in zwei große Untergruppen<br />
einteilen, die »Mesonen« mit einem ganzzahligen Spin von 0, 1, 2... und die »Baryonen«<br />
mit einem halbzahligen Spin von 1/2, 2/3... Das Proton und das Neutron mit dem Spin 1/2<br />
sind Beispiele für Baryonen. Das Pion mit dem Spin 0 ist ein Meson. Jedes Hadron ist<br />
entweder ein Meson oder ein Baryon.<br />
Die Unterscheidung zwischen Mesonen und Baryonen ist sehr wichtig, denn die Teil-<br />
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