Heinz R. Pagels Cosmic Code - Globale-Evolution TV
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5. Unschärfe und Komplementarität<br />
D<br />
Die Vorstellung ist falsch, die Physik sei dazu da, die<br />
Beschaffenheit der Natur aufzuklären. In der Physik<br />
geht es vielmehr um unsere Aussagen über die Natur.<br />
- Niels Bohr<br />
er Determinismus, das Weltbild, wonach die Natur und unser eigenes Leben von<br />
der Vergangenheit bis in die Zukunft vollständig determiniert sind, spiegelt das<br />
menschliche Bedürfnis nach Gewissheit in einer ungewissen Welt wieder. Die Projektion<br />
dieses Bedürfnisses ist der allwissende Gott, den manche Menschen in der Bibel finden,<br />
ein Gott, der Vergangenheit und Zukunft bis in die kleinste Einzelheit kennt wie einen<br />
entwickelten Film. Wir haben diesen Film vielleicht noch nicht gesehen, aber was er für<br />
uns enthält, das liegt schon fest.<br />
Die klassische Physik stützte das deterministische Weltbild. Nach der klassischen<br />
Physik legen alle Naturgesetze die Vergangenheit und die Zukunft bis in die kleinsten<br />
Einzelheiten vollständig fest. Das Universum war wie eine perfekte Uhr: Wenn wir den<br />
Ort seiner Teile in einem Augenblick kannten, waren sie damit für immer festgelegt.<br />
Natürlich konnte der Mensch nicht die Lage und die Geschwindigkeit aller Teilchen im<br />
Universum zu einem bestimmten Zeitpunkt kennen. Aber unter Einbeziehung des mittelalterlichen<br />
Begriffs vom »Geist Gottes« konnten wir uns vorstellen, dass dieser vollkommene<br />
Geist die Konfiguration aller Teilchen in Vergangenheit und Gegenwart kennt.<br />
Mit Max Borns statistischer Interpretation der de Broglie-Schrödinger-Wellenfunktion<br />
gingen die Physiker vom deterministischen Weltbild von der Natur schließlich ab. Die<br />
Welt veränderte sich und wies jetzt nicht mehr den Determinismus einer Uhr, sondern die<br />
Zufälligkeit eines Spielautomaten auf. Den Physikern wurde sehr bald klar, dass die<br />
Vorstellung vom allwissenden Geist Gottes in der Natur keine Begründung findet. Die<br />
neue Quantentheorie, die an die Stelle der klassischen Physik getreten ist, liefert nur statistische<br />
Voraussagen. Aber gibt es vielleicht hinter der Quantentheorie eine neue deterministische<br />
Physik, die von einer Art Subquantentheorie beschrieben wird, mit deren<br />
Hilfe der allwissende Geist die Welt bestimmt? Nach der Quantentheorie kann das nicht<br />
sein. Selbst ein allwissender Geist muss seine Kenntnisse auf Erfahrungen gründen, und<br />
sobald er versucht, eine physikalische Größe experimentell zu bestimmen, wird der Rest<br />
des Kartenspiels der Natur wieder zufällig gemischt. Schon der Versuch, den Determinismus<br />
zu etablieren, erzeugt Indeterminismus. Es gibt keine andere Zufälligkeit als die<br />
Quantenzufälligkeit. Wie wir, so spielt auch Gott Würfel. Auch er kennt nur die Chancen.<br />
Gerade diese Zufälligkeit verursacht dem Deterministen Beschwerden. Die Physik, wie<br />
sie jahrhundertelang konzipiert war, sollte genau vorhersagen, was in der Natur passieren<br />
kann. In der Quantentheorie werden nur Wahrscheinlichkeiten genau bestimmt, und der<br />
Determinist gibt nur ungern die Hoffnung auf, dass es hinter der Quantenrealität eine<br />
deterministische Realität gibt. Aber in Wirklichkeit hat die Quantentheorie dem Determinismus<br />
ein für allemal ein Ende gemacht.<br />
Die Zufälligkeit als Grundlage der materiellen Welt bedeutet nicht, dass man nichts<br />
mehr wissen kann oder dass die Physik versagt hat. Im Gegenteil: Die Entdeckung des<br />
unbestimmten Universums ist ein Triumph der modernen Physik und vermittelt uns ein<br />
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