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Heinz R. Pagels Cosmic Code - Globale-Evolution TV

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gangenheit und Zukunft; für die mikroskopische Welt kann sich die Zeit in beiden<br />

Richtungen bewegen. Ein Atom kennt kein Älterwerden; das Alter wird vielmehr durch<br />

die Organisationsform von Atomen und Molekülen bestimmt. Die irreversible Zeit, das<br />

Alter, das Verfaulen von Obst, sind vom Standpunkt der Mikrophysik alles Illusionen.<br />

Aber das Gesetz von der Zunahme der Entropie mit der Zeit verleiht der Zeit einen Pfeil,<br />

eine Richtung, die Vergangenheit und Zukunft voneinander unterscheidet. Wenn sich<br />

eine verfaulende Frucht entgegen dem Gesetz von der Zunahme der Entropie wiedererholte,<br />

wäre das so, als liefe die Zeit rückwärts. Die mikroskopischen Gesetze werden<br />

deshalb als zeitumkehrinvariant bezeichnet; die makroskopischen Gesetze, z. B. das<br />

Gesetz von der Zunahme der Entropie, sind es nicht. Deshalb kann der zweite Hauptansatz<br />

der Thermodynamik, also ein Gesetz für die makroskopische variable Entropie, nicht<br />

nur aus den Gesetzen der Newtonschen Mechanik abgeleitet werden. Auch durch noch so<br />

viel mathematisches Jonglieren kommt man nicht von der einen Reihe von Gesetzen zur<br />

anderen. Offensichtlich brauchen wir eine zusätzliche Annahme, wenn wir das Gesetz<br />

von der Zunahme der Entropie aus den Newtonschen Gesetzen ableiten wollen. Auf diese<br />

Annahme möchte ich etwas näher eingehen, denn sie sagt uns etwas über die Beziehung<br />

zwischen den Grundgesetzen des Mikrokosmos und unserem unmittelbaren Erleben.<br />

Um diese zusätzliche Annahme zu illustrieren, nehmen wir an, ich habe eine hochwertige<br />

Filmkamera mit einem Zoom-Objektiv, mit dem ich von mikroskopischen bis zu<br />

makroskopischen Objekten alles scharf abbilden kann. Ich möchte einen Pfeifenraucher<br />

filmen und dabei die Optik langsam von der Mikrowelt bis in die Makrowelt verfahren.<br />

Dann wird der Film auf einer Leinwand gezeigt.<br />

Zuerst sehen wir nur die Mikrowelt der herumtorkelnden, gegeneinander prallenden<br />

Luft- und Rauchteilchen. Sie alle gehorchen den Newtonschen Bewegungsgesetzen.<br />

Wenn ich den Projektor rückwärts laufen ließe, würden alle Teilchen auf der Leinwand<br />

die Bewegung umkehren. Aber qualitativ wäre diese Bewegung dieselbe wie vorher: nur<br />

ein Durcheinander von herumstoßenden Teilchen. Wir können die Richtung derzeit mit<br />

dieser mikroskopischen Aufnahme nicht bestimmen, denn in den Newtonschen Gesetzen<br />

wird die Vergangenheit nicht von der Zukunft unterschieden.<br />

Jetzt stellen wir uns vor, dass die Zoom-Optik einen größeren Bereich erfasst. Wenn wir<br />

nicht mehr die einzelnen Luft- und Rauchteilchen sehen, die herumschwirren und aneinanderstoßen,<br />

verlieren wir Informationen. Statt dessen erkennen wir in diesem Stadium<br />

allmählich die eigentlichen Rauchkringel, die Durchschnittsverteilung der Rauchteilchen,<br />

die sich mit der Zeit bewegen. Wenn wir jetzt den Projektor rückwärts laufen lassen, ist es<br />

in diesem Stadium vielleicht immer noch schwer, die Richtung der Zeit nach dem Bild auf<br />

der Leinwand zu bestimmen. Aber wir würden doch argwöhnisch werden und vermuten,<br />

dass der Film rückwärts läuft, wenn wir sähen, wie sich die Rauchkringel verdichten statt<br />

sich auszudehnen, denn das ist wohl unwahrscheinlich. Durch das Löschen der mikroskopischen<br />

Informationen zugunsten der makroskopischen Informationen, also durch die<br />

Ausschaltung der individuellen Teilchenbewegung zugunsten des Mittelwerts, haben wir<br />

die zusätzliche Annahme hineingebracht, die die Newtonsche Mechanik mit der Thermodynamik<br />

verbindet. Man kann detaillierte mikroskopische Informationen nicht verlieren,<br />

ohne die Entropie zu vergrößern. Unsere Mittelwertbildung über die Mikroweltbeschreibung,<br />

bei der die Details verlorengehen, verletzt zwangsläufig den Zeitumkehrcharakter<br />

dieser Mikrowelt. Man könnte sagen, dies sei unsere eigentliche Forderung,<br />

dass es nämlich eine Makroweltbeschreibung, eine sinnvolle Mittelung der Informationen<br />

aus der Mikrowelt, geben muss, die den Zeitpfeil einführt.<br />

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