Heinz R. Pagels Cosmic Code - Globale-Evolution TV
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wehr wird abgefeuert (im Weltraum, so dass wir den Luftwiderstand außer Acht lassen<br />
können), und wir kennen sowohl den Ort der Kugel, wenn sie aus dem Lauf austritt, als<br />
auch ihren Impuls. Mit Hilfe der Gesetze der klassischen Physik und in Kenntnis des<br />
Ausgangsorts und des Impulses der Kugel können wir ihre ganze zukünftige Flugbahn<br />
genau beschreiben; alles ist vorbestimmt. Wenn wir dasselbe Problem vom Standpunkt<br />
der Quantentheorie betrachten, müssen wir zu einem anderen Schluss kommen. Die<br />
Heisenbergsche Unschärferelation bedeutet, dass wir nicht gleichzeitig den Ort und den<br />
Impuls der Kugel in dem Moment bestimmen können, in dem sie aus dem Lauf austritt.<br />
Soweit diese anfänglichen Messungen unscharf sind, ist auch die künftige Flugbahn der<br />
Kugel unscharf. Wir können also höchstens eine statistische oder probabilistische Beschreibung<br />
der künftigen Flugbahn der Kugel abgeben. Bei realen Geschossen, beispielsweise<br />
Tennisbällen, sind diese Quanteneffekte vernachlässigbar gering. Aber bei<br />
Elektronen sind wir zu einer probabilistischen Beschreibung ihrer künftigen Bewegung<br />
gezwungen. Deshalb schließen Heisenbergs Unschärferelationen Borns Unbestimmtheit<br />
ein. Während Heisenberg an den Unschärferelationen arbeitete, entwickelte Bohr auf<br />
seine ganz eigene Art und völlig unabhängig seine Interpretation der Quantentheorie. In<br />
Heisenbergs Ansatz wurde die Bedeutung der neuen Theorie mit Hilfe der Mathematik<br />
entschlüsselt, während sich Bohr philosophisch über die Natur der Quantenrealität Gedanken<br />
machte. Jeder der beiden Physiker hatte damit einen Ansatz gefunden, der den des<br />
anderen ergänzte und bereicherte, und beide zusammen stellen die Kopenhagener Interpretation<br />
dar.<br />
Bohr überlegte, wie wir überhaupt von der atomaren Welt sprechen können, denn<br />
schließlich ist sie von der menschlichen Erfahrung doch weit entfernt. Er mühte sich mit<br />
dem Problem ab, wie wir mit unserer gewöhnlichen Sprache, die dazu geschaffen ist,<br />
alltägliche Ereignisse und Gegenstände zu erfassen, atomare Vorgänge beschreiben<br />
können. Vielleicht ist die unserer Grammatik innewohnende Logik für diesen Zweck<br />
unzureichend. Folglich konzentrierte sich Bohr bei seiner Interpretation der Quantenmechanik<br />
auf die Sprache. Er sagte einmal: »Die Vorstellung ist falsch, die Physik sei<br />
dazu da, die Beschaffenheit der Natur aufzuklären. In der Physik geht es vielmehr um<br />
unsere Aussagen über die Natur.«<br />
Bohr betonte, dass wir, wenn wir eine Frage an die Natur stellen, auch den Versuchsaufbau<br />
angeben müssen, mit dessen Hilfe wir die Antwort bekommen wollen. Nehmen<br />
wir z. B. folgende Frage an: »Wo befindet sich das Elektron, und welchen Impuls hat es?«<br />
In der klassischen Physik brauchen wir dabei nicht zu berücksichtigen, dass wir mit der<br />
Beantwortung der Frage, also der Durchführung eines Experiments, den Zustand des<br />
Objekts verändern. Wir können die Wechselwirkung zwischen Apparat und Untersuchungsgegenstand<br />
ignorieren. Bei Quantenobjekten wie Elektronen ist das allerdings<br />
nicht mehr möglich. Die Beobachtung verändert den Zustand des Elektrons.<br />
Dass die Beobachtung verändern kann, was beobachtet wird, wird aus einigen Beispielen<br />
im täglichen Leben deutlich. Der Anthropologe, der ein kleines, vom modernen<br />
Leben nicht berührtes Dorf studiert, verändert schon durch seine Anwesenheit das Dorfleben.<br />
Der Forschungsgegenstand ändert sich infolge der Untersuchung. Wenn die<br />
Menschen wissen, dass sie beobachtet werden, kann dies ihr Verhalten beeinflussen.<br />
Die Natur kann dem Quantenexperimentator sehr weit entgegenkommen. Wenn er den<br />
Ort eines Elektrons mit beliebig großer Genauigkeit messen will und dazu einen Apparat<br />
aufbaut, verhindert kein Gesetz der Quantentheorie eine bestimmte Antwort. Mit »Ort«<br />
meine ich immer einen statistischen Mittelwert aus vielen Ortsmessungen. Der Experi-<br />
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