Heinz R. Pagels Cosmic Code - Globale-Evolution TV
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Bei ihrer Entdeckung der Gesetze von der Thermodynamik stießen die Physiker noch<br />
auf eine weitere makroskopische Variable, die eine Volumeneigenschaft der Materie<br />
beschreibt: die Entropie. Die Entropie ist eine quantitative Angabe, die uns sagt, wie<br />
unorganisiert ein physikalisches System ist, also ein Maß für die Unordnung. Der Entropiebegriff<br />
ist für unsere Kenntnis der Beziehungen zwischen der Mikrowelt und der<br />
Welt unserer menschlichen Erfahrung sehr wichtig. Ist Ihnen schon einmal aufgefallen,<br />
wie schwer es ist, immer alles ordentlich aufgeräumt zu halten? Ihre Frustration ist kein<br />
Zufall, sondern Folge eines der Grundgesetze der Thermodynamik: Die Entropie oder<br />
Unordnung nimmt für ein geschlossenes physikalisches System ständig zu. Sie kämpfen<br />
also gegen den zweiten Hauptsatz der Thermodynamik an.<br />
Um die Zunahme der Entropie zu illustrieren, nehmen Sie einen Glaskrug und füllen Sie<br />
ihn etwa ein Viertel voll Salz. Dann geben Sie Pfefferkörner dazu, bis er halb voll ist. Auf<br />
einer weißen Schicht haben Sie jetzt einen schwarzen Belag - eine unmögliche Anordnung<br />
aller Teilchen. Diese Konfiguration weist eine verhältnismäßig niedrige Entropie<br />
auf, denn sie ist hoch organisiert und befindet sich nicht in Unordnung. Jetzt schütteln Sie<br />
den Behälter einmal heftig. Es entsteht eine graue Mischung, eine unorganisierte Anordnung<br />
von Salz und Pfeffer. Auch wenn Sie immer weiter schütteln, wird sich die ursprüngliche<br />
Anordnung wohl kaum wieder einstellen, selbst nach Millionen Jahre langem<br />
Schütteln nicht. Die Entropie oder Unordnung des Systems hat ständig zugenommen. Das<br />
ist ein Beispiel für den zweiten Hauptsatz der Thermodynamik: In einem geschlossenen<br />
System wird die Entropie ständig größer. Ein System verändert sich von einer weniger<br />
wahrscheinlichen (schwarzer Pfeffer auf weißem Salz) zu einer wahrscheinlichen Konfiguration<br />
(graue Mischung). Wenn das Gesetz von der Zunahme der Entropie gelten soll,<br />
muss das System unbedingt geschlossen sein. Wenn ich den Behälter mit der grauen<br />
Mischung öffne und sorgfältig das Salz vom Pfeffer trenne, kann ich die ursprüngliche<br />
Anordnung wiederherstellen.<br />
In meinem ersten Semester an der Universität waren mein Zimmerkollege und ich es<br />
leid, unser gemeinsames Zimmer immer sauber zu halten; wir ließen es statt dessen in<br />
einen Zustand der »maximalen Entropie« übergehen. Zu unserer größten Befriedigung<br />
wurde es ein riesiger Saustall. Wenn wir irgendetwas bewegten, mussten wir es natürlich<br />
wieder wegräumen, aber mit der nächsten Bewegung war die Unordnung wiederhergestellt.<br />
Das Saubermachen hatten wir damit abgeschafft, doch es entstand eine andere<br />
Schwierigkeit: Wir fanden nichts mehr. Minutenlang mussten wir suchen, bis wir gefunden<br />
hatten, was wir brauchten. Schließlich kamen wir zu dem Schluss, dass uns der<br />
Zustand der maximalen Entropie keine Zeit und Mühe sparte und kehrten zu einem<br />
konventionelleren Lebensstil zurück.<br />
Das Gesetz von der Entropie ist überall rings um uns wahrzunehmen. Die materielle<br />
Verschlechterung ist ein Beispiel. Alles zerfällt irgendwann einmal; Gebäude stürzen ein,<br />
wir altern, Obst verfault. Das Gesetz von der Zunahme der Entropie gilt unter Umständen<br />
auch für das ganze Universum, denn das Universum ist vielleicht ein geschlossenes<br />
System. Vielleicht wird aus ihm auch einmal eine Ruine; ein »Hitzetod« lässt die Sterne<br />
ausbrennen, Materie wird über die endlosen Weiten des Raums verteilt - Unordnung, die<br />
niemand mehr aufräumen kann. Es wäre ein düsteres, ein unglückliches Ende aller Zeiten.<br />
Das Gesetz von der Zunahme der Entropie ist interessant, weil es ein Grundgesetz ist<br />
und dennoch statistischen Charakter aufweist. Es ergibt sich eigentlich daraus, dass eine<br />
durchorganisierte Anordnung unwahrscheinlicher ist als eine desorganisierte und sich ein<br />
Naturzustand eher aus einer unwahrscheinlichen in eine sehr wahrscheinliche Anordnung<br />
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