Heinz R. Pagels Cosmic Code - Globale-Evolution TV
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erst vor kurzem viel näher gekommen. Zu seinem Gesamtwerk meinte er, alles, was er<br />
geleistet habe, wäre auch ohne ihn entdeckt worden, ausgenommen die allgemeine Relativität.<br />
Sie war die Krönung seines Schaffens und der klassischen Physik als Wissenschaft.<br />
Aber der Weg zum Fortschritt in der Physik verlief mindestens im nächsten halben<br />
Jahrhundert anderswo.<br />
Ich meine, dass sich Einstein ab 1926 mit der Mathematik der einheitlichen Feldtheorie<br />
befasste. Er konnte den Rest seines Lebens der begrifflichen Aussagekraft und Schönheit<br />
der allgemeinen Relativität nicht widerstehen. Der Einfluss seiner Schöpfung und der<br />
Denkansatz, mit dem er dahin gelangt war, beherrschten sein späteres Denken voll und<br />
ganz. Er hatte die Verbindung zum »Alten« und damit auch mit der schöpferischen physikalischen<br />
Intuition verloren, die ihm über zwanzig Jahre eigen gewesen war. Das empfindliche<br />
Gleichgewicht zwischen Unschuld und Erfahrung, eine Vorbedingung der<br />
Kreativität, neigte sich auf die Seite der Erfahrung. Wie der Physiker Paul Ehrenfest<br />
sagte, als er von Einsteins Opposition gegen die neue Quantentheorie hörte: »Wir haben<br />
unseren Führer verloren.«<br />
Einstein blieb bis an sein Lebensende dem klassischen Determinismus treu. Für ihn war<br />
es unvorstellbar, dass es im Grundaufbau des Universums Willkür und Zufall geben<br />
sollte. In seiner Vorstellung vom kosmischen <strong>Code</strong>, den ewigen Naturgesetzen, denen<br />
alles Bestehende gehorcht, war kein Platz für den Zufall oder den Eingriff menschlichen<br />
Willens und Zweckdenkens. Er hielt die Quantentheorie für oberflächlich und meinte,<br />
jenseits des statistischen Spiels der atomaren Teilchen, das sie beschrieb, würden wir eine<br />
neue deterministische Physik entdecken. Die meisten anderen Physiker stehen der Möglichkeit<br />
einer Revision der Quantentheorie durchaus nicht feindlich gegenüber, glauben<br />
jedoch nicht, dass die deterministische Physik je wiederkommt. Einstein war schon als<br />
führender Physiker vor 1926 anderer, eigener Meinung. Nach 1926 war er nicht nur anderer<br />
Meinung, sondern auch allein.<br />
Als Halbwüchsiger bewunderte ich Einstein als Helden der Wissenschaft, einen Gott in<br />
einem fernen Pantheon des Geistes. Heute sehe ich mit älteren Augen eine andere Seite<br />
von ihm - seine Einsamkeit und sein emotionales Ausgeschlossensein von menschlichen<br />
Launen und Gefühlen. Er brauchte diesen Abstand, um die Instrumente seines unbegreiflichen<br />
Genius zu schmieden, eines Genius, der uns ein Universum gezeigt hat, das<br />
weit größer und verwirrender ist, als man vorher gedacht hatte. Seine Vision vom Kosmos,<br />
der sich über die unendliche Leere von Raum und Zeit erstreckt und gegenüber<br />
unserer Menschheit indifferent ist, verfolgt uns alle. Aber ich weiß nicht, was ich aus dem<br />
Mann machen soll, der diese Vision zum ersten Mal hatte und suche immer noch, was mir<br />
seinen Charakter näherbringt.<br />
Einstein mochte die Musik von Mozart. Beide Männer hatten ein Gefühl für die endliche<br />
Verletzlichkeit allen Lebens, verloren aber darüber nie ihr Gefühl für das Spielerische<br />
oder das Heitere. Sie wussten, dass die Realität des Lebens auf dieser Welt darin<br />
besteht, dass es gar nicht zu existieren brauchte. Wir können von solchen Männern lernen,<br />
dass auch wir unsere schöpferische Existenz im vollen Bewusstsein ihrer Endlichkeit<br />
genießen können. Und das ist das Wesen der Ironie.<br />
Mit dem Aufstieg des völkischen Irrsinns vom Nationalsozialismus musste Einstein aus<br />
Deutschland in die Vereinigten Staaten auswandern, in ein Land, das er schon vorher<br />
besucht hatte. Er und viele andere brillante europäische Wissenschaftler brachten einen<br />
jahrhundertealten Geist der wissenschaftlichen Neugier nach Amerika. Begabte Amerikaner<br />
wurden zu begeisterten Studenten.<br />
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