Heinz R. Pagels Cosmic Code - Globale-Evolution TV
Heinz R. Pagels Cosmic Code - Globale-Evolution TV
Heinz R. Pagels Cosmic Code - Globale-Evolution TV
Erfolgreiche ePaper selbst erstellen
Machen Sie aus Ihren PDF Publikationen ein blätterbares Flipbook mit unserer einzigartigen Google optimierten e-Paper Software.
lassen haben. Wenn sie kleine Dreiecke zeichnen und die Innenwinkel so gut messen, wie<br />
sie es können, ergeben die Winkel zusammen wieder 180°. Örtlich betrachtet, ist ihre<br />
neue Welt euklidisch und flach. Doch dann erzielen die Schattenkreaturen einen technischen<br />
Durchbruch; sie entdecken eine Art Laserlicht, das einen geradlinigen Strahl viele<br />
tausend Kilometer über die kugelförmige Oberfläche ihrer Welt aussenden kann. Als<br />
erstes stellen sie fest, dass sich zwei in parallele Richtungen ausgesandte Lichtstrahlen<br />
nach einigen tausend Kilometern einander annähern. Dagegen ist auch durch noch so<br />
viele Korrekturen nichts zu machen. Einige Schattenkreaturen behaupten, dass sich<br />
Lichtstrahlen in der neuen Welt nicht geradlinig ausbreiten. Andere bestehen darauf, dass<br />
ein Lichtstrahl definitionsgemäß eine Gerade ist: ein Lichtstrahl breitet sich auf dem<br />
kürzesten Weg aus; jeder andere Weg muss also länger sein. Sie stellen dann fest, dass<br />
dem Lichtstrahl nichts fehlt; nur der Raum, in dem sie sich bewegen, ist gekrümmt und<br />
nicht flach. Wenn mit diesen Lichtstrahlen große Dreiecke gebildet werden, ist die<br />
Winkelsumme jetzt größer als 180°. Der Raum ist eindeutig nicht mehr euklidisch.<br />
Schließlich erfinden die Schattenkreaturen die Riemannsche Geometrie und beschreiben<br />
damit ihre neue, gekrümmte Welt.<br />
Unsere eigene Geschichte ähnelt der unserer Schattenfreunde mit der Ausnahme, dass<br />
sie in drei und nicht zwei Raumdimensionen spielt. Wir leben vielleicht in einer Welt, die<br />
ein gekrümmter dreidimensionaler Raum ist. So wie sich die Schattenkreaturen die gekrümmte<br />
zweidimensionale Oberfläche ihrer neuen Welt nicht vorstellen konnten, so<br />
können wir uns keinen dreidimensionalen gekrümmten Raum denken. Aber wir können,<br />
wie sie, auch Experimente mit Laserstrahlen veranstalten, um festzustellen, ob unsere<br />
dreidimensionale Welt wirklich gekrümmt ist. Die meisten Physiker würden wetten, dass<br />
zwei parallele Laserlichtstrahlen, die man in den intergalaktischen Raum hinausschickt,<br />
nicht parallel bleiben, sondern entweder auseinanderdriften oder sich vereinigen. Wenn<br />
sie sich voneinander entfernen, sagt man, das Universum ist »offen« - der Raum ist gekrümmt,<br />
aber er ist unendlich. Wenn die Lichtstrahlen irgendwann zusammentreffen, ist<br />
das Universum »geschlossen« - das dreidimensionale Analogon zur Oberfläche einer<br />
Kugel. Welche dieser Möglichkeiten dem wirklichen Universum entspricht, müssen die<br />
Experimentalastronomen entscheiden. Auf jeden Fall ist der Raum unseres Universums<br />
nicht-euklidisch; er ist nicht flach. Die Geometrie dieses Raums wird durch die Riemannsche<br />
Geometrie beschrieben.<br />
Aber was hat diese Raumkrümmung mit der Schwerkraft und den ungleichförmigen<br />
Bewegungen zu tun? Wenn wir eine Gerade durch den Weg eines Lichtstrahls definieren<br />
wollen, erkennen wir diese Beziehung sofort.<br />
Weil ein Lichtstrahl über Energie verfügt, muss er nach dem Einsteinschen Masse-Energie-Äquivalent<br />
eine effektive Masse aufweisen. Alles, was Masse hat, wird von<br />
der Schwerkraft angezogen. Wenn wir also einen Lichtstrahl in die Nähe eines Planeten<br />
schicken, wird der Lichtweg ein kleines bisschen zu diesem Planeten hin abgelenkt. Wir<br />
könnten fast sagen, die Beugung des Lichtwegs bedeutet, dass die Lichtwege eigentlich<br />
streng genommen keine Geraden mehr sind. Wir wären wie die Schattenkreaturen, die<br />
sich nicht damit abfinden konnten, dass die Lichtstrahlen nicht mehr parallel verliefen und<br />
es auf das Licht schoben, während in Wirklichkeit die Krümmung des Raums, die Geometrie<br />
ihrer Welt, daran schuld war. Genauso könnten wir die Beugung des Lichts an<br />
einem Planeten der »Schwerkraft«, einer geheimnisvollen Kraft, zuschreiben. Aber Einstein<br />
erkannte, dass die Schwerkraft ein überflüssiges Konzept ist; es gibt keine »Gravitationskraft«.<br />
In Wirklichkeit krümmt die Masse eines Planeten oder jede andere Masse<br />
27