Heinz R. Pagels Cosmic Code - Globale-Evolution TV
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7. Die unsichtbare Hand<br />
72<br />
E<br />
Die wichtigsten Lebensfragen sind eigentlich meist nur<br />
Wahrscheinlichkeitsfragen.<br />
- Marquis de Laplace<br />
in Mathematiklehrer im Iran nach der Revolution hielt zu Anfang seiner Vorlesung<br />
über die Wahrscheinlichkeitstheorie einen Würfel hoch, den er zu einer Demonstration<br />
verwenden wollte. Ehe er anfangen konnte, schrie ein islamischer fundamentalistischer<br />
Student: »Ein Blendwerk des Teufels!« und meinte damit natürlich den<br />
Würfel. Der Lehrer verlor die Stelle und fast auch das Leben. Der Wahrscheinlichkeitsbegriff<br />
widerspricht den Interpretationen des Islam, die davon ausgehen, dass Gott allwissend<br />
ist. Für die Wahrscheinlichkeit haben manche religiösen Fundamentalisten nichts<br />
mehr übrig.<br />
Hätte man den Lehrer reden lassen, dann hätte er den Schülern wohl folgendes erzählt.<br />
Er hätte vielleicht die Anwendung der Wahrscheinlichkeitstheorie in der wirklichen Welt<br />
betont und mit der operationellen Definition angefangen. Eine Definition dieser Art ist<br />
notwendig, weil wir keine absolute Definition der Zufälligkeit haben; das wissen wir ja<br />
noch aus dem letzten Kapitel. Wir können nicht feststellen, ob ein wirklicher Prozess<br />
tatsächlich zufallsbestimmt ist oder nicht. Wir können lediglich nachprüfen, ob er eine<br />
Reihe von Prüfungen besteht, die zufallsbestimmte Prozesse bestehen müssen, wenn sie<br />
»genügend zufallsbestimmt« sein sollen. In der Praxis funktioniert das sehr gut, aber eine<br />
prinzipielle Schwierigkeit bleibt immer bestehen: Wir wissen nie, ob sich nicht irgendjemand<br />
einen schlauen neuen Test ausdenkt, der dann zeigt, dass etwas nicht zufällig ist,<br />
das wir für zufällig gehalten hatten.<br />
Trotz der mathematischen Schwierigkeiten mit der Definition der Zufälligkeit können<br />
wir pragmatisch vorgehen wie Richard von Mises. Er erklärte, die praktische Definition<br />
eines Zufallsprozesses besteht darin, dass er unwiderlegbar ist. So einfach ist das mit<br />
praktischen Definitionen! Nehmen wir an, ein Spielautomat werde gebaut, der dann gewinnt,<br />
wenn er Zufallszahlen erzeugt. Auf die Dauer ist er so mit keiner Strategie zu<br />
überlisten, und wir könnten sagen, dass diese Zahlen für praktische Zwecke wirklich<br />
zufällig sind. Wenn die Maschine einen Fehler enthielte, die Zahlen nicht wirklich zufällig<br />
wären und eine bestimmte Zahl häufiger aufträte, dann könnten wir mit diesem<br />
Wissen die Maschine überlisten. Aber die echte Zufälligkeit ist unschlagbar. Diese praktische<br />
Definition der Zufälligkeit passt hervorragend in die wirkliche Welt. Spielhöllen<br />
und Versicherungsgesellschaften nutzen sie gleichermaßen. Und weil die Zufälligkeit<br />
unschlagbar ist und sie ihre Geschäfte darauf aufbauen, gewinnen auch sie immer.<br />
Wenn wir in der Natur Zufälligkeiten suchen, so müssen wir uns vor allen Dingen im<br />
Atom nach dem Chaos umsehen; die beste Zufälligkeit ist bekanntlich die Quantenzufälligkeit.<br />
Prozesse wie zum Beispiel der radioaktive Zerfall in verschiedene Teilchen<br />
genügen alle den Zufälligkeitstests. Wann und wo ein Atom zerfällt, ist wirklich zufallsbestimmt.<br />
Wir können uns einen Fehler in einem Spielautomaten vorstellen, aber die<br />
Physiker vermögen in der Quantenwelt keinen Fehler zu finden. Die Quantenzufälligkeit<br />
ist nicht zu schlagen; der Gott, der würfelt, spielt ehrlich. Aber wie können wir dieser<br />
Zufälligkeit auf die Spur kommen?