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erfolge im ausland - Institute for Advanced Studies

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Finanzpolitik: Unverändert dringender Handlungsbedarf<br />

in der theoretischen Literatur weitgehende Einigkeit.<br />

Aber auch empirisch ist dieser Wirkungszusammenhang<br />

recht gut abgesichert (zusammenfassend zu den Wirkungen<br />

finanzpolitischer Maßnahmen auf das Wirtschaftswachstum<br />

siehe JG 2003 Ziffer 820). Wenn man ein<br />

höheres Wachstum (noch einmal: des Produktionspotentials)<br />

erreichen will, muss die staatliche Nettokreditaufnahme<br />

dauerhaft zurückgeführt werden. Genau dies wird<br />

durch den Stabilitäts- und Wachstumspakt erreicht<br />

– sofern er denn eingehalten wird. Man kann darüber<br />

streiten, ob das mittelfristig zu erreichende Ziel eines<br />

ausgeglichenen oder Überschüsse aufweisenden Haushalts<br />

in dieser Form sinnvoll ist. Eine logische Implikation<br />

wäre dann nämlich, dass der öffentliche Schuldenstand<br />

in Relation zum Bruttoinlandsprodukt längerfristig<br />

und durchschnittlich bei null liegen würde. Das ist aber<br />

angesichts der Tatsache, dass es durchaus sinnvoll sein<br />

kann, öffentliche Investitionen nicht zuletzt unter<br />

Wachstumsgesichtspunkten auch über eine Kreditaufnahme<br />

zu finanzieren, sehr skeptisch zu beurteilen und<br />

zudem <strong>im</strong> Moment definitiv kein relevantes Problem:<br />

Die durchschnittliche Schuldenstandsquote in der Europäischen<br />

Union hat <strong>im</strong> Jahr 2004 leicht auf etwas über<br />

70 vH zugenommen; selbst bei ab jetzt ausgeglichen<br />

Haushalten würde sich eine Schuldenstandsquote von<br />

null – sollte sie angestrebt werden – erst in ganz ferner<br />

Zukunft ergeben.<br />

Mit Blick auf die Wachstumswirkungen staatlicher Verschuldungsaktivitäten<br />

ist genau genommen noch zwischen<br />

Niveaueffekten und Wachstumsrateneffekten zu<br />

unterscheiden. Der Niveaueffekt einer dauerhaften<br />

Reduzierung der Nettokreditaufnahme in Relation zum<br />

Bruttoinlandsprodukt ist darin zu sehen, dass sich das<br />

Produktionspotential je Einwohner dauerhaft erhöhen<br />

wird. Während einer – möglicherweise längeren – Übergangsphase<br />

nehmen auch die Veränderungsraten des<br />

Produktionspotentials je Einwohner zu. Sobald ein neues<br />

langfristiges Gleichgewicht erreicht ist, bleibt das Produktionspotential<br />

je Einwohner dann aber konstant, allerdings<br />

auf einem höheren Niveau als vorher. Ein Wachstumsrateneffekt<br />

würde sich einstellen, wenn die dauerhaft<br />

verringerte Nettokreditaufnahme nicht nur zu einem Niveaueffekt,<br />

sondern darüber hinaus auch zu einer höheren<br />

gleichgewichtigen Wachstumsrate führen würde. Ein<br />

solches Ergebnis ergibt sich in endogenen Wachstumsmodellen.<br />

Für überschaubare und für Politikanalysen relevante<br />

Zeiträume kann empirisch aber kaum zwischen Niveaueffekten<br />

und Wachstumsrateneffekten unterschieden<br />

werden, weil sich beide Effekte während der Übergangsphase<br />

von einem Gleichgewicht zum anderen überlagern<br />

und in beiden Fällen positive Veränderungsraten des Produktionspotentials<br />

je Einwohner auftreten.<br />

Die Wirkungskanäle, über die eine verringerte Nettokreditaufnahme<br />

zu positiven Wachstumseffekten führen<br />

kann, laufen entweder über höhere private Investitionen<br />

oder eine Verschlechterung der Handelsbilanz bei<br />

gleichzeitiger Verbesserung der Leistungsbilanz oder<br />

beides. Dabei ist unterstellt, dass der langfristige Realzins<br />

die Wachstumsrate des Produktionspotentials übersteigt.<br />

Die relative Bedeutung dieser beiden Kanäle<br />

hängt wesentlich von den Zinselastizitäten der Ersparnisse<br />

und der Investitionen ab und vom Grad der<br />

internationalen Kapitalmobilität. Dass sich positive<br />

Wachstumseffekte bei dauerhaft verringerter Nettokreditaufnahme<br />

ergeben, ist in der Theorie der Sache<br />

nach unstrittig. Empirisch bleibt freilich offen, in welchem<br />

Umfang und über welchen Wirkungskanal sich<br />

diese Wirkungen einstellen. Diesbezügliche Untersuchungen<br />

liegen in erster Linie für die Vereinigten<br />

Staaten vor, einige aber auch für die OECD-Länder oder<br />

die Europäische Union. Die meisten dieser Studien kommen<br />

zu dem Ergebnis, dass ein Anstieg der Defizitquote<br />

um einen Prozentpunkt in diesen Wirtschaftsräumen die<br />

langfristigen Nominalzinsen um zwischen 20 und<br />

100 Basispunkten und die langfristigen Realzinsen um<br />

zwischen 15 und 80 Basispunkten erhöht.<br />

757. Von diesen langfristigen Wachstumseffekten einer<br />

dauerhaft veränderten Nettokreditaufnahme zu unterscheiden<br />

sind die kurzfristigen Effekte einer vorübergehend<br />

erhöhten staatlichen Neuverschuldung. Sie zielen<br />

auf den Auslastungsgrad des Produktionspotentials und<br />

damit auf eine Glättung der konjunkturellen Schwankungen<br />

um das Produktionspotential. In diesem Zusammenhang<br />

ist zwischen den konjunkturstabilisierenden<br />

Effekten, die sich durch das Wirkenlassen der automatischen<br />

Stabilisatoren ergeben, und den Auswirkungen einer<br />

diskretionären Finanzpolitik zu unterscheiden. Gänzlich<br />

unstrittig ist, dass die automatischen Stabilisatoren<br />

solange ungehindert wirken sollen, wie die Defizitgrenze<br />

des Stabilitäts- und Wachstumspakts nicht überschritten<br />

ist. Unterschiedliche Ansichten bestehen einmal<br />

darüber, ob die Wirkungen der automatischen<br />

Stabilisatoren bei Überschreiten der Defizitgrenze abgeschnitten<br />

werden sollen, zum anderen aber auch bei der<br />

Frage, ob in konjunkturellen Schwächephasen eine über<br />

die automatischen Stabilisatoren hinausgehende diskretionäre<br />

Finanzpolitik ergriffen werden soll. Mit dieser<br />

Problematik hat sich der Sachverständigenrat in einer<br />

empirischen Untersuchung ausführlich <strong>im</strong> Jahresgutachten<br />

2003 beschäftigt (JG 2003 Ziffern 789 ff.); es<br />

besteht keine Notwendigkeit, diese Diskussion hier noch<br />

einmal zu wiederholen.<br />

Die Schlussfolgerungen des Rates waren (JG 2003 Ziffer<br />

821): Keynesianische Multiplikatoreffekte sind empirisch<br />

relevant; insofern kann eine diskretionäre Finanzpolitik<br />

ein wirksames Stabilisierungsinstrument sein. In<br />

Abhängigkeit von den finanzpolitischen Rahmenbedingungen<br />

und gegebenenfalls den Erwartungen der Haushalte<br />

und Unternehmen können aber auch nicht-keynesianische<br />

Effekte zu einer gewissen Vorsicht bei einer<br />

mechanistischen Anwendung s<strong>im</strong>pler keynesianischer<br />

Politiken mahnen. Insgesamt spricht vieles dafür, die<br />

kurzfristige fiskalische Stabilisierungsfunktion – von<br />

schweren Rezessionen abgesehen – den automatischen<br />

Stabilisatoren zuzuweisen.<br />

758. Zusammenfassend ist der Sachverständigenrat<br />

nach wie vor der Meinung, dass der Stabilitäts- und<br />

Wachstumspakt ein sinnvolles Regelwerk darstellt. Die<br />

über diesen Pakt angestrebte Koordinierung und Begrenzung<br />

der Verschuldungspolitiken der Mitgliedstaaten der<br />

Europäischen Union ist ökonomisch gut begründbar. Es<br />

ist keineswegs so, dass die Regelungen des Pakts zu einer<br />

prozyklischen Finanzpolitik zwingen. Grundsätzlich<br />

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