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JGW-SchülerAkademie Papenburg 2011 - Jugendbildung in ...

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5 Gedenken oder Vergessen?<br />

Man muss die mittelalterliche Er<strong>in</strong>nerungskultur, von der Forschung auch Memoria<br />

genannt, <strong>in</strong> e<strong>in</strong>em breiten historischen Kontext betrachten, welcher bis weit <strong>in</strong> die<br />

heidnische Antike zurückreicht. So dokumentierte bereits der römische Schriftsteller<br />

Tertullian (um 200 n. Chr.) <strong>in</strong> mehreren Werken Totenzeremonien. Aus diesen geht hervor,<br />

dass die Toten <strong>in</strong> der römischen Antike als Rechtssubjekte mit Rechts- und Handlungsfähigkeit<br />

angesehen wurden (Oexle 1983: 29). Dies zeigt sich u. a. auch an der Zeremonie<br />

des Totenmahls. Memoria me<strong>in</strong>t folglich nicht nur das e<strong>in</strong>fache Er<strong>in</strong>nern der Toten,<br />

sondern <strong>in</strong>sbesondere soziales Handeln <strong>in</strong> e<strong>in</strong>er Verb<strong>in</strong>dung der Lebenden und Toten als<br />

Rechtspersonen (Oexle 1983: 29). Die frühen Christen übernahmen im 3./4. Jahrhundert<br />

die Vorstellung des »lebendigen« Toten <strong>in</strong> die Liturgie und christianisierten die ehemals<br />

heidnischen Todeskulte (Oexle 1983: 50–51).<br />

Das Bedürfnis, der Toten zu gedenken, lag im Seelenheil der Menschen begründet. Wer<br />

sich nicht an die Gebote Gottes hielt, also sündigte, kam nach dem Tod <strong>in</strong>s Fegefeuer. Es<br />

wurde als e<strong>in</strong> Ort der Qualen verstanden (Kuithan 2000: 78) und brachte die Menschen<br />

dazu, bereits im Diesseits für ihr Seelenheil vorzusorgen. Adlige wie Liutold von Achalm<br />

(11. Jahrhundert) stifteten Klöster oder traten umfangreiche Güter an die Kirche ab<br />

(Kuithan 2000: 93). Sie wollten sich e<strong>in</strong> unvergessliches Denkmal setzen und e<strong>in</strong>en<br />

Platz im Himmel sichern. Das Leben solcher Stiftsgründer wurde von Mönchen <strong>in</strong> den<br />

sogenannten Vitae nacherzählt (Oexle 1983: 26). Die Fürbitte war darüber h<strong>in</strong>aus e<strong>in</strong><br />

zentrales Element der katholischen Liturgie und dem Seelenheil bereits Verstorbener<br />

gewidmet. Sie sollte als e<strong>in</strong>es der »guten Werke« (Kuithan 2000: 78) aufgefasst werden<br />

und den Toten aus dem Fegefeuer <strong>in</strong> den Himmel holen (Kuithan 2000: 78). Neben den<br />

Vitae fungierten auch Nekrologe und Verbrüderungsbücher als schriftliche Werke der<br />

Memoria. Die Nekrologe, die aus den Namen sowie den Todesdaten der Verstorbenen<br />

bestanden, ermöglichten e<strong>in</strong> jährliches Totengedenken. »In der Nennung se<strong>in</strong>es Namens<br />

wird der Tote als Person evoziert« (Oexle 1983: 31).<br />

Den Verbrüderungsbüchern liegt das im Mittelalter an Bedeutung gewonnene Phänomen<br />

der sogenannten E<strong>in</strong>ung zugrunde. Vermehrt schlossen sich geistliche oder<br />

weltliche Personen <strong>in</strong> Verbrüderungen zusammen. Falls e<strong>in</strong> Vertragspartner gestorben<br />

war, wurde ihm von den anderen Brüdern Gebetshilfe für das Seelenheil garantiert<br />

(Oexle 1994: 312).<br />

5.8 Ursprungserzählungen als Legitimationsstrategie<br />

Gerade <strong>in</strong> der Frühen Neuzeit erwachte unter Adligen e<strong>in</strong> reges Interesse an ihrer<br />

Familiengeschichte. Sie hatten seit dem späten Mittelalter festgestellt, dass sie ihre<br />

Herrschaftsansprüche mit dem Verweis auf e<strong>in</strong>e hohe Herkunft besser legitimieren<br />

konnten. Dies führte zu e<strong>in</strong>er »deutlichen Intensivierung der Suche nach Ursprung und<br />

Vergangenheit des eigenen Geschlechts« (Hecht 2006: 10). So gaben immer mehr adlige<br />

Familien e<strong>in</strong>e Chronik <strong>in</strong> Auftrag. Diese Aufträge häuften sich, wenn für e<strong>in</strong>e Familie<br />

e<strong>in</strong>e konkrete Bedrohung bestand (beispielsweise e<strong>in</strong>e hohe Verschuldung oder das<br />

Aussterben e<strong>in</strong>es Zweiges der Familie) und der Wunsch nach e<strong>in</strong>er Verbesserung des<br />

Familienstandes größer wurde.<br />

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