JGW-SchülerAkademie Papenburg 2011 - Jugendbildung in ...
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5 Gedenken oder Vergessen?<br />
sich wandelnder Er<strong>in</strong>nerung umgehen? Gibt es e<strong>in</strong>e von der Er<strong>in</strong>nerung unabhängige<br />
»objektive Geschichte«? So unterschiedlich die Antworten der Teilnehmenden dabei auch<br />
ausgefallen s<strong>in</strong>d, so deutlich wurde es, dass dabei e<strong>in</strong> Prozess des Nachdenkens und<br />
H<strong>in</strong>terfragens e<strong>in</strong>gesetzt hatte – die Grundlage jeder wissenschaftlichen Beschäftigung.<br />
5.2 Neurologische und psychologische Grundlagen des Er<strong>in</strong>nerns<br />
Für das Er<strong>in</strong>nern spielt das menschliche Gedächtnis e<strong>in</strong>e wichtige Rolle. Es gibt drei<br />
Unterteilungen des Gedächtnisses: das Ultrakurzzeitgedächtnis, das Arbeitsgedächtnis<br />
und das Langzeitgedächtnis. Das Langzeitgedächtnis nimmt allerd<strong>in</strong>gs als e<strong>in</strong>ziges die<br />
Rolle der wirklichen Speicherung e<strong>in</strong>, woh<strong>in</strong>gegen die anderen sich mit der Verarbeitung<br />
von kurzfristigen Reizen beschäftigen. Auch das Langzeitgedächtnis lässt sich <strong>in</strong><br />
zwei Bereiche unterteilen: das explizite und das implizite Gedächtnis. Zum expliziten<br />
Gedächtnis gehört das semantische Gedächtnis, das für Faktenwissen zuständig ist, und<br />
das episodische Gedächtnis, das speziell für Er<strong>in</strong>nerungen zuständig ist. Der zweite<br />
Bereich, das implizite Gedächtnis, setzt sich zusammen aus dem prozeduralen Gedächtnis,<br />
das für Bewegungsabläufe zuständig ist, und dem Prim<strong>in</strong>g-Gedächtnis, das für die<br />
Wiedererkennung von Reizen sorgt (Piefke, Markowitsch 2010: 11–13).<br />
Während der Speicherung von Daten im Langzeitgedächtnis f<strong>in</strong>det auf neuronaler<br />
Ebene e<strong>in</strong>e Genaktivierung statt, die die Bildung e<strong>in</strong>es Prote<strong>in</strong>s zur Folge hat, das<br />
wiederum die Strukturen der Synapsen ändert. Diese Genaktivierung kann z. B. durch<br />
häufige Wiederholung oder durch e<strong>in</strong>e starke emotionale B<strong>in</strong>dung mit dem Erlebten<br />
zustande kommen. Sollte die Er<strong>in</strong>nerung jedoch erst e<strong>in</strong>mal im Langzeitgedächtnis<br />
festgehalten worden se<strong>in</strong>, kann sie theoretisch zeitlich unbegrenzt dort fortbestehen.<br />
Da sich allerd<strong>in</strong>gs die Synapsen im Gehirn ständig verändern, kann die Er<strong>in</strong>nerung <strong>in</strong><br />
Vergessenheit geraten, wenn sie nicht mehr durch Reize angeregt wird. Auch ähnliche<br />
Er<strong>in</strong>nerungen oder etwas, das mit der Er<strong>in</strong>nerung <strong>in</strong> e<strong>in</strong>em Zusammenhang steht, kann<br />
e<strong>in</strong>en Reiz auslösen. Bei der langfristigen Wiederholung von Er<strong>in</strong>nerungen kann es<br />
problematisch se<strong>in</strong>, dass die Er<strong>in</strong>nerungen sich <strong>in</strong> e<strong>in</strong>em ger<strong>in</strong>gen Maß verändern. So<br />
kann es se<strong>in</strong>, dass der sich Er<strong>in</strong>nernde völlig vom Ablauf der Er<strong>in</strong>nerung und den<br />
Details überzeugt ist, obwohl der eigentliche Hergang möglicherweise anders gewesen<br />
ist. Des Weiteren spielt beim Er<strong>in</strong>nern auch immer der aktuelle persönliche Kontext e<strong>in</strong>e<br />
wichtige Rolle (Piefke, Markowitsch 2010: 17).<br />
Durch diese Abänderung oder Verfälschung besteht die Gefahr, dass Vergangenes<br />
anders <strong>in</strong>terpretiert oder gewertet werden kann. Dieser Effekt kann besonders beim<br />
kommunikativen Gedächtnis (Assmann 2006) auftreten, da neben der Verfälschung<br />
durch die Er<strong>in</strong>nerung auch e<strong>in</strong>e mögliche Verfälschung durch die kommunikative<br />
Weitergabe entstehen kann. Ger<strong>in</strong>ger ist dieser Effekt beim kulturellen Gedächtnis<br />
(Assmann 2006), da sich dieses durch e<strong>in</strong>e Speicherung des zu Er<strong>in</strong>nernden mittels<br />
der Kultur auszeichnet. Das kulturell Festgehaltene kann zwar aufgrund e<strong>in</strong>es anderen<br />
zeitlichen und sozialen Kontextes »falsch« neu<strong>in</strong>terpretiert werden, jedoch entsteht dabei<br />
e<strong>in</strong>e e<strong>in</strong>malige Verfälschung, während beim kommunikativen Gedächtnis die m<strong>in</strong>imalen<br />
Abänderungen aufe<strong>in</strong>ander aufbauen und sich somit selbst verstärken.<br />
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