JGW-SchülerAkademie Papenburg 2011 - Jugendbildung in ...
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3.6 Deklaratives Gedächtnis<br />
ansche<strong>in</strong>end nicht mehr stattf<strong>in</strong>den konnte. Diese Form von Gedächtnisverlust nennt<br />
man anterograde Amnesie. Er<strong>in</strong>nerungen, die vor der Schädigung, also der Operation,<br />
abgespeichert worden waren, konnten teilweise noch abgerufen werden, während der<br />
Patient nicht mehr <strong>in</strong> der Lage war, e<strong>in</strong> Gedächtnis <strong>in</strong> der Zeit nach der Schädigung<br />
aufzubauen.<br />
Das Erstaunliche war, dass er trotz der fehlenden Gedächtnisfähigkeiten motorische<br />
Fertigkeiten erlernen konnte. So erlernte er z. B. das Golfspielen problemlos, war jedoch<br />
jedes Mal davon überzeugt, dass er e<strong>in</strong> Naturtalent war und e<strong>in</strong>e gottgegebene Begabung<br />
besaß, da er sich ja nicht mehr an den Lernvorgang er<strong>in</strong>nern konnte.<br />
H.M. wurde also nicht nur vom kle<strong>in</strong>en Jungen zum Epilepsiepatienten, sondern auch<br />
vom Patienten zum wissenschaftlich hoch<strong>in</strong>teressanten Versuchsobjekt. Er <strong>in</strong>teragierte<br />
mit e<strong>in</strong>er eigenen Psycholog<strong>in</strong>, mehreren Ärzten und Betreuern, doch er konnte sich<br />
nicht e<strong>in</strong>mal an sie er<strong>in</strong>nern. E<strong>in</strong>mal beschrieb er se<strong>in</strong> Leben wie e<strong>in</strong> ständiges Erwachen<br />
aus e<strong>in</strong>em Traum, der se<strong>in</strong>e eigene Vergangenheit verkörperte. Er konnte sich ke<strong>in</strong><br />
wirkliches Hier und Jetzt mehr aufbauen, lebte bis zu se<strong>in</strong>em Tod <strong>in</strong> e<strong>in</strong>em sich ständig<br />
verändernden und alternden Körper, während er die Persönlichkeit se<strong>in</strong>es 27-jährigen<br />
Ichs behielt.<br />
So starb er mit 82 Jahren. Die Wissenschaft jedoch behielt ihn als e<strong>in</strong>en außergewöhnlichen<br />
Patienten <strong>in</strong> Er<strong>in</strong>nerung, der der Neurobiologie viele neue Erkenntnisse rund um<br />
das Gedächtnis brachte.<br />
3.6 Deklaratives Gedächtnis<br />
Das so genannte deklarative oder explizite Gedächtnis speichert Fakten und Ereignisse im<br />
Gehirn. Es lässt sich untergliedern <strong>in</strong> die folgenden beiden Bereiche: Das episodische<br />
Gedächtnis für persönliche Er<strong>in</strong>nerungen und Erlebnisse, beispielsweise e<strong>in</strong>e Geburtstagsfeier<br />
oder e<strong>in</strong>e Unterhaltung, und das semantische Gedächtnis für allgeme<strong>in</strong>e Fakten<br />
über die Welt, zum Beispiel den Namen e<strong>in</strong>es Bekannten oder die Tatsache, dass Rio de<br />
Janeiro <strong>in</strong> Brasilien liegt. Die beiden s<strong>in</strong>d nicht zwangsweise mite<strong>in</strong>ander verknüpft. Es<br />
kommt ja vor, dass man sich nicht er<strong>in</strong>nern kann, woher man etwas weiß; die episodische<br />
Er<strong>in</strong>nerung fehlt also. Andererseits er<strong>in</strong>nert man sich auch häufig an e<strong>in</strong>e Situation, <strong>in</strong><br />
der man bestimmte Fakten erfahren hat, die Fakten an sich jedoch s<strong>in</strong>d e<strong>in</strong>em entfallen.<br />
Hier fehlt die semantische Er<strong>in</strong>nerung.<br />
Das deklarative Gedächtnis ist von dem sogenannten impliziten Gedächtnis abzugrenzen.<br />
Unter diesem Begriff wird Verschiedenes zusammengefasst: E<strong>in</strong>erseits motorisches<br />
oder prozedurales Lernen, also der Erwerb bestimmter Fertigkeiten (wie zum Beispiel<br />
Fahrradfahren), andererseits Vorgänge wie Prim<strong>in</strong>g oder Konditionierung. Beide, das<br />
deklarative und das implizite Gedächtnis, beruhen auf unterschiedlichen Vorgängen im<br />
Gehirn, die auch <strong>in</strong> anderen Bereichen stattf<strong>in</strong>den.<br />
Für deklaratives Lernen, das bedeutet das H<strong>in</strong>zufügen von neuen Informationen<br />
zum deklarativen Gedächtnis, ist der Hippocampus im medialen, also mittig gelegenen,<br />
Temporallappen essentiell. Er ist <strong>in</strong> beiden Hirnhälften vorhanden. Hier werden die neu<br />
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