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JGW-SchülerAkademie Papenburg 2011 - Jugendbildung in ...

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6 E<strong>in</strong>e philosophische Analyse der Liebe<br />

Vermutlich zeitgleich berichtet e<strong>in</strong> Wächter Kreon von e<strong>in</strong>em wundersamen ersten<br />

Begräbnis des Polyneikes, verursacht durch e<strong>in</strong>en »spurlosen Täter« (Antigone 252). Auf<br />

den Befehl Kreons, den Täter ausf<strong>in</strong>dig zu machen, f<strong>in</strong>det der Wächter Antigone, die<br />

nichts von diesem ersten Begräbnis mitbekommen hatte, unbekleidet und jammernd<br />

neben dem Leichnam. Antigone ist also im Begriff, Polyneikes e<strong>in</strong> zweites Mal zu<br />

begraben. Vom Wächter gefasst, gesteht sie sowohl das zweite wie auch das erste<br />

Begräbnis, welches sie re<strong>in</strong> zeitlich nicht begangen haben kann. Ismene behauptet ihrer<br />

Schwester dabei geholfen zu haben, wird aber von Antigone verächtlich zurückgewiesen.<br />

Wider den E<strong>in</strong>wand se<strong>in</strong>es Sohnes Haimon, Antigones Verlobten, entschließt sich Kreon,<br />

Antigone töten zu lassen und verschärft die Bestrafung, <strong>in</strong>dem er sie lebendig <strong>in</strong> e<strong>in</strong><br />

Felsengrab br<strong>in</strong>gen lässt. Die anfängliche Entschlossenheit der Antigone wandelt sich <strong>in</strong><br />

Todesfurcht. Sie ist enttäuscht <strong>in</strong> ihrer Gottverlassenheit. In ihrer Orientierungslosigkeit<br />

klagt sie über das ihr, <strong>in</strong> ihren Augen, zu Unrecht zugestoßene Leid.<br />

Der Seher Teresias, der als Mittler zwischen Göttern und Menschen auftritt, weist<br />

Kreon darauf h<strong>in</strong>, dass alle Menschen e<strong>in</strong>mal irre g<strong>in</strong>gen und prophezeit e<strong>in</strong> unheilvolles<br />

Ende, wenn er Antigone nicht befreit. Nachdem Teresias Kreon noch immer nicht<br />

überzeugt zurück gelassen hat, fordert der Chor Kreon dazu auf, Antigone augenblicklich<br />

zu befreien und dem Polyneikes endlich e<strong>in</strong> Grab zu geben. Allerd<strong>in</strong>gs kommt Kreons<br />

E<strong>in</strong>sicht viel zu spät. E<strong>in</strong> Bote berichtet ihm: Verzweifelt über ihr Schicksal hat sich<br />

Antigone längst für den Freitod entschieden. Ihr Verlobter Haimon, der sie tot im Verlies<br />

vorgefunden hat, nahm sich daraufh<strong>in</strong> ebenfalls das Leben. Den Verlust ihres Sohnes<br />

betrauernd, ermordet sich auch Kreons Frau Eurydike. Zurück bleibt e<strong>in</strong> e<strong>in</strong>samer und<br />

gebrochener König, der se<strong>in</strong>e Fehler bereut und e<strong>in</strong>sieht. Unglücklich muss er feststellen:<br />

»Ich b<strong>in</strong> nicht mehr – ich b<strong>in</strong> nicht mehr als e<strong>in</strong> Nichts« (Antigone 1325).<br />

Bei e<strong>in</strong>er näheren Betrachtung der Hauptfiguren wird oft von Antigone als der tragischen<br />

Figur des Stückes ausgegangen. Sie sche<strong>in</strong>t völlig unverschuldet <strong>in</strong> ihr Unglück zu<br />

geraten, denn ihr verme<strong>in</strong>tlich frommes Handeln wendet sich zuletzt gegen sie selbst.<br />

Doch entspricht Antigones Handeln dem Willen der Götter? Die griechische Mythologie <strong>in</strong><br />

sophokleischer Deutung versteht die Beziehung zwischen Gott und Mensch als e<strong>in</strong>e, <strong>in</strong><br />

der die Menschen den Willen der Götter fromm annehmen sollten. Fordern die Götter<br />

e<strong>in</strong>e gewisse Tat, dann wenden sie sich mit e<strong>in</strong>er klaren Anweisung an die Menschen.<br />

Antigone aber dr<strong>in</strong>gt aktiv <strong>in</strong> den Aufgabenbereich der Götter e<strong>in</strong> und überschreitet ihre<br />

Grenzen. E<strong>in</strong>e Anweisung dazu oder auch nur e<strong>in</strong>e Genehmigung hat sie von ihnen nie<br />

erhalten.<br />

E<strong>in</strong>e andere Frage, die sich ebenfalls stellt, ist: Wenn sie sich doch zu Beg<strong>in</strong>n fest entschlossen<br />

für den Tod entscheidet, warum kann sie ihn dann nicht annehmen? E<strong>in</strong>erseits hat<br />

Antigone mit e<strong>in</strong>em anderen Tod gerechnet. Sie hoffte öffentlich und ruhmvoll durch<br />

e<strong>in</strong>e Ste<strong>in</strong>igung zu sterben. Deshalb weist sie Ismene auch vor Kreon zurück, weil sie<br />

den Ruhm für die heroische Tat alle<strong>in</strong>e genießen will. Nun sieht sie e<strong>in</strong>en kläglichen und<br />

jämmerlichen Tod vor sich. Andererseits zeigt ihre Reaktion auf den bevorstehenden<br />

Tod nur, wie menschlich Antigone ist. Dadurch werden die Grenzen des Menschse<strong>in</strong>s<br />

deutlich, welche der Mensch gemäß der delphischen Maxime »Erkenne dich selbst« im<br />

Blick haben sollte. Sie stürzt folglich aufgrund des Mangels an Maßhaltung.<br />

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