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JGW-SchülerAkademie Papenburg 2011 - Jugendbildung in ...

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6 E<strong>in</strong>e philosophische Analyse der Liebe<br />

Im Folgenden sollen nun drei Interpretationsansätze zur Schuldfrage des Ödipus<br />

aufgezeigt werden:<br />

Schuldig durch se<strong>in</strong>en Charakter<br />

– Ödipus ist e<strong>in</strong>e charakterlich problematische und kritisierenswerte Figur. Er ist<br />

nicht im Vorsatz schuldig oder durch bösen Willen, sondern durch charakterliche<br />

Fehltendenzen, die e<strong>in</strong>e verheerende Wirkung haben.<br />

– Unvorsichtigkeit: Ödipus missachtet den Kommentar des Betrunkenen über se<strong>in</strong>e<br />

Herkunft vollkommen; er nimmt an, Merope und Polybos seien se<strong>in</strong>e leiblichen<br />

Eltern. Aufgrund se<strong>in</strong>er unklaren Herkunft müsste er nicht nur Kor<strong>in</strong>th meiden,<br />

sondern sich ebenso hüten, e<strong>in</strong>en älteren Mann zu erschlagen und e<strong>in</strong>e ältere Frau<br />

zu heiraten.<br />

– Zorn, Unbeherrschtheit: Am Dreiweg wird Ödipus zwar angegangen, se<strong>in</strong>e Vergeltung<br />

ist aber viel massiver, sodass man nicht von re<strong>in</strong>er Notwehr reden kann.<br />

Bei dieser Interpretation wird von der num<strong>in</strong>osen Sphäre abgesehen und die Tragik<br />

des Ödipus als re<strong>in</strong> menschliches Problem gesehen. Das Schicksal wird alle<strong>in</strong> durch<br />

charakterliche Eigenschaften bestimmt und nicht von den lenkenden Göttern.<br />

Unvermeidbare Schuld<br />

– Ödipus’ Schicksal ist von se<strong>in</strong>er Geburt an vorbestimmt, da Laios das Orakel<br />

ignorierte und daher die Erfüllung der angekündigten Taten des Sohnes ihren<br />

Lauf nimmt. So bilden Ödipus’ Taten e<strong>in</strong>e Kette von unvermeidbaren Konsequenzen<br />

und es zeigt sich der »lebensgeschichtliche ‘Schuldzwang’« (Rumpf 2003,<br />

49). Ödipus handelt nicht nach eigenen Entschlüssen, vielmehr s<strong>in</strong>d alle se<strong>in</strong>e<br />

Handlungen durch die Sprüche des delphischen Orakels vorbestimmt. Laut Bernd<br />

Manuwald ist aus dem Drama e<strong>in</strong>deutig herauszulesen, dass Orakel »unweigerlich<br />

e<strong>in</strong>treten und es nicht <strong>in</strong> der Macht der Menschen liegt, der Erfüllung der Weissagung<br />

zu entgehen« (Manuwald 1992, 12). Deshalb ist für Ödipus nach diesem<br />

Interpretationsansatz auch ke<strong>in</strong>e subjektive Schuld anzunehmen.<br />

Ödipus als Beispiel für metaphysische Wesensschuld<br />

– In Sophokles’ Tragödie wird die metaphysische Tragik des Menschen deutlich.<br />

Der Mensch ist zum Handeln berufen, doch ihm fehlt die Voraussetzung für<br />

verantwortliches Handeln: Allwissenheit.<br />

– Wegen der menschlichen Unwissenheit dürfte der Mensch eigentlich erst gar nicht<br />

handeln, da er unausweichlich schuldig wird. Die daraus resultierende menschliche<br />

Situation ist ausweglos und die Welt ist im Grunde höchst tragisch.<br />

Diese Interpretationsansätze haben deutlich aufgezeigt, dass die Schuldfrage auf<br />

verschiedene Weise beantwortet werden kann. Jede dieser Deutungen f<strong>in</strong>det ihre Rechtfertigung<br />

und lässt sich am Text belegen. Es stellen sich nun die Fragen, welcher Ansatz<br />

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