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Kolonischtegschichtla von Hermann Bachmann als Dokument der ...

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Theoretisch besitzen sowie die Mundart 1 <strong>als</strong> auch die Mundart 2 die gleichen<br />

Invarianten b, d, g und p, t, k, weil man annehmen darf, dass die gleichen Sachen<br />

in beiden Mundarten eigentlich auch gleich genannt werden müssen, in<br />

<strong>der</strong> Praxis aber haben wir die Form kleiten sowie für gleiten <strong>als</strong> auch für kleiden.<br />

Ein an<strong>der</strong>es Beispiel könnte <strong>der</strong> Konsonantenwechsel b – w, wie etwa in<br />

Arbeit – Arweit, aber – awer sein.<br />

Solche Konstellationen können zu identifizierenden Merkmalen zwischen<br />

<strong>der</strong> Mundart 1 und Mundart 2 o<strong>der</strong> <strong>der</strong> Standartsprache werden.<br />

Aber nicht nur im phonologischen Bereich finden sich diese interdialektalen<br />

Identifizierungsmerkmale. Auch im Bereich <strong>der</strong> Lexik und Morphologie<br />

sind sprachliche Einheiten anzutreffen, die eindeutig auf die Zugehörigkeit eines<br />

Dialektsprechers zu einem Dialekt hinweisen. Bekannt ist die Grenze zwischen<br />

den Pferd / Ross / Gaul-Dialektlandschaften. In <strong>der</strong> Morphologie sind<br />

vor allem <strong>der</strong> Zeitformengebrauch, das Fehlen des Umlauts bei <strong>der</strong> Konjugation<br />

<strong>der</strong> starken Verben in <strong>der</strong> 2. und 3. Person Singular (du laufst, er lauft), die<br />

Pluralbildung <strong>der</strong> Substantive mit und ohne Suffix n (die Puwe – die Buben),<br />

das Fehlen <strong>der</strong> Endung e in manchen Substantiven (die wis – die Wiese), das<br />

Infinitivsuffix e anstatt (e)n, (agere - ackern) und an<strong>der</strong>e. Im Bereich <strong>der</strong> Syntax<br />

wären das <strong>der</strong> Kasusgebrauch, die abweichende Rektion <strong>der</strong> Verben (Ich<br />

geh bei die Wäs Mille – Ich gehe zur Tante Emille), die Wortfolge im Satz,<br />

aber auch die Modelle <strong>der</strong> Sätze.<br />

Diese sprachlichen Erscheinungen tragen <strong>als</strong>o, nachdem die Herausbildung<br />

einer einheitlichen Verkehrssprache im Dorf einigermaßen abgeschlossen<br />

ist, zur Konsolidierung <strong>der</strong> Gemeinde, zur Herausbildung eines gemeinsamen<br />

Bewusstseins und Wahrnehmens <strong>der</strong> sprachlichen und kulturellen Umwelt dieser<br />

Gemeinde bei. Dieser Prozess verläuft sicher nicht reibungslos. Dabei kann<br />

im gegenseitigen Ringen <strong>der</strong> Sprachformen bald <strong>der</strong> Dialekt <strong>der</strong> Mehrheit, bald<br />

<strong>der</strong> Dialekt <strong>der</strong> Min<strong>der</strong>heit den Sieg da<strong>von</strong>tragen. Im letzteren Fall kann sich<br />

die Mehrheit dem Eindringen <strong>von</strong> Spracheigentümlichkeiten, die ihren Sprachgewohnheiten<br />

nicht eigen sind, wi<strong>der</strong>setzen, sie kann sie aber auch mehr o<strong>der</strong><br />

weniger bereitwillig akzeptieren.<br />

Der folgende <strong>von</strong> mir überarbeitete Ausschnitt aus dem „Wolgadeutschen<br />

Sprachatlas“[WDSA] zeugt da<strong>von</strong>, dass sich im gesamten wolgadeutschen<br />

Sprachgebiet Ende <strong>der</strong> 20-er Jahre des 20. Jahrhun<strong>der</strong>ts einige Zentren<br />

ausgebildet haben, die eine ziemlich homogene Verkehrssprache aufweisen<br />

konnten.<br />

An <strong>der</strong> Karte sieht man am Beispiel des Wortes Melonensirup (S.219),<br />

dass in <strong>der</strong> Gegend nördlich <strong>von</strong> Pokrowsk (Engels) die Wolga entlang zwischen<br />

den Flüssen Wolga und Großer Karaman bis zur Stadt Wolsk die Form<br />

Arbusesaft dominiert mit seltenen Ausnahmen mit <strong>der</strong> Komponente Honig o<strong>der</strong><br />

die einfache Form Saft. Die Formen mit dieser Komponente ‒ Saft, Ärbusesaft,<br />

Melonensaft ‒ sind im Wolgagebiet in mehr <strong>als</strong> einem Drittel <strong>der</strong> Siedlungen<br />

vertreten (Zeichnung S. 32).<br />

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