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Kolonischtegschichtla von Hermann Bachmann als Dokument der ...

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Die nächste ziemlich geschlossene Gegend, die an <strong>der</strong> Bergseite <strong>der</strong><br />

Wolga südlich <strong>von</strong> Saratow liegt, gebraucht die Form mit <strong>der</strong> Komponente latwerje<br />

in einigen phonetischen Varianten: latwärje, lekwärje, melonenlatwärje<br />

u.a. Zahlenmähßig schwächer sind die Formen mit <strong>der</strong> Komponente leksl, šleksl<br />

vertreten. In den mennonitischen Dörfern dominiert die Komponente sirop, zirop,<br />

tsirop.<br />

Der Begriff artig weist viel mehr Varianten auf und ist nicht so einheitlich<br />

in den obenerwähnten Siedlungen vertreten. Einmal kommen hier 9 Lexeme<br />

vor, die ihn präsentieren: artig, brav, fromm, gut, schön, nicht schlimm,<br />

hübsch. Einzeln kommen in diesem Gebiet auch solche Formen wie ordentlich,<br />

feschdenig vor. Auf <strong>der</strong> Bergseite dominiert die Form brav in zwei Varianten:<br />

mit langem und kurzem a, aber auch mit langem o. An<strong>der</strong>e Formen wie ordentlich<br />

und schön sowie feschdenich (verständlich) kommen nur selten vor.<br />

Das bedeutet, dass die Lautform des Wortes ordentlich fast in allen Kolonien<br />

<strong>der</strong> Bergseite gesprochen wurde. In dem Raum <strong>von</strong> Mariental bis Schaffhausen<br />

sind Varianten vertreten, die auf <strong>der</strong> Bergseite gar nicht vorkommen. In <strong>der</strong> Kolonie<br />

Glarus, <strong>der</strong>en Einwohner aus <strong>der</strong> Schweiz gekommen sind, wird <strong>der</strong> Begriff<br />

artig mit fromm ausgedrückt, in weiteren sechs Kolonien, die ziemlich<br />

dicht aneinan<strong>der</strong> liegen wird hübsch in <strong>der</strong> entrundeten Form hibsch o<strong>der</strong> einfach<br />

gut gesprochen. In den Dialekttexten, die in dieser Hinsicht analysiert wurden,<br />

dominiert eindeutig das Lexem artig in einigen phonetischen Varianten:<br />

ardich, ordich, ardlich.<br />

Ziemlich einheitlich sind die Formen des Hilfsverbs haben. Hier dominieren<br />

die Formen hun und seltener ‒ han. Auf den beiden Seiten <strong>der</strong> unteren<br />

Wolga gilt die Form hun. Ganz selten kommen die nasalierten Formen wie hou,<br />

houe und hu vor. Fast keine Unterschiede weisen die Wörter Häuser und Leute<br />

auf. Außer seltenen Ausnahmen gelten die Formen haisr und lait. Für das Verb<br />

pfeifen konnten nur vier Formen ermittelt werden: paife, paive, faife und faifn.<br />

Interessant, dass keine Form mit <strong>der</strong> Affrikate pf belegt ist.<br />

Die Analyse <strong>der</strong> Materialien im Historischen Archiv <strong>der</strong> Wolgadeutschen<br />

und des WDSA sowie einiger künstlerischen Texte lässt mit gewisser Sicherheit<br />

behaupten, dass sich Ende <strong>der</strong> 20-er Jahre an <strong>der</strong> Wolga – in Analogie zum geschlossenen<br />

deutschen Sprachraum – das Bild eines relativ einheitlichen Dialektgebiets<br />

herausgebildet hat, dass über eine Menge gemeinsamer Eigenschaften<br />

verfügt, aber untereinan<strong>der</strong> differenziert ist.<br />

Die Eigentümlichkeiten ihrer Mundarten hat hauptsächlich die ältere Generation<br />

<strong>der</strong> Wolgadeutschen bewahrt. Aus vielen Gesprächen mit meinen Verwandten<br />

und an<strong>der</strong>en Wolgadeutschen weiß ich noch gut, dass sie schon am Anfang<br />

des Gesprächs nach einigen Worten sagen konnten, woher ihr Gesprächspartner<br />

kommt. Das bedeutet, dass sie ganz gut die Beson<strong>der</strong>heiten an<strong>der</strong>er<br />

Mundarten kannten, jedoch an ihren eigenen hafteten. Nach diesen Eigentümlichkeiten<br />

identifizierten sie den Gesprächspartner nach dem ehemaligen Woh-<br />

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