17.12.2012 Aufrufe

österreichische zeitschrift für ... - Universität Wien

österreichische zeitschrift für ... - Universität Wien

österreichische zeitschrift für ... - Universität Wien

MEHR ANZEIGEN
WENIGER ANZEIGEN

Erfolgreiche ePaper selbst erstellen

Machen Sie aus Ihren PDF Publikationen ein blätterbares Flipbook mit unserer einzigartigen Google optimierten e-Paper Software.

Lazarsfelds Report wurde hier so ausführlich referiert, weil er weitestgehend<br />

zutreffend die politischen Verhältnisse und die Lage der (sozial-)wissenschaftlichen<br />

Forschung in Österreich Ende der fünfziger Jahre schildert. Er mag<br />

sich in der Beurteilung einzelner Personen hinsichtlich ihres Interesses und ihrer<br />

Fähigkeit, an den Verhältnissen etwas zu ändern, geirrt haben, als Sittenbild<br />

des geistigen Lebens der frühen Zweiten Republik kann man diesen Report getrost<br />

an die Seite jenes stellen, der seither zum Synonym des Österreichertums<br />

dieser – und nicht nur dieser – Jahre wurde: Carl Merz’ und Helmut Qualtingers<br />

Der Herr Karl, uraufgeführt 1961, schildert diesselben Verhältnisse und<br />

porträtiert im Souterraine der sozialen Schichtung jenen Sozialcharakter, dem<br />

Lazarsfeld in deren Belles etages begegnete. Die Frage, die zu beantworten die<br />

folgenden Zeilen nicht in der Lage sein werden, die sich allerdings geradezu<br />

unabwendbar stellt, ist: Warum kehrte Paul F. Lazarsfeld nach diesen Erfahrungen<br />

noch einmal nach <strong>Wien</strong> zurück 21 Denn er kehrte zurück, nicht um in<br />

<strong>Wien</strong> Musik zu hören, sondern um ein Institut gründen zu helfen.<br />

Der Report zirkulierte in den USA, wie angekündigt, unter ehemaligen<br />

Österreichern. Im Dezember 1958 berichtete Lazarsfeld an Stone über die Reaktionen<br />

und listete Personen auf, mit denen Stone über die <strong>österreichische</strong>n<br />

Aktivitäten konferieren sollte: Charlotte Bühler, F. A. Hayek, Adolf Sturmthal<br />

und Ludwig Wagner. Wünschenswert wäre es, auch noch einen ” respectable Catholic<br />

refugee“ beizuziehen. 22 Die Konferenz fand Ende März 1959 in Stones<br />

New Yorker Büro unter Teilnahme von Lazarsfeld, Hayek, Sturmthal, Klemens<br />

von Klemperer und Erich Hula statt. Lazarsfeld hatte eine überarbeitete Version<br />

seiner Vorschläge vom Vorjahr vorbereitet. 23 Die Versammelten einigten sich<br />

auf zwei Vorschläge: Die Ford Foundation sollte in <strong>Wien</strong> ein Zentrum <strong>für</strong> ” ad-<br />

21 Im Unterschied zu manchem anderen Emigranten, hatte Lazarsfeld weder Interesse noch<br />

Not an einer ständigen Rückkehr nach <strong>Wien</strong>, wie er in einem der Briefe an Stone unmissverständlich<br />

und ohne Koketterie festhielt: ” to avoid misunderstandings, I have to add a<br />

word about myself. I would be most eager to help in the organization of the projects (...) but<br />

as I told you and everyone else concerned before, it would not be possible for me to join the<br />

faculty (...) as an ex-Austrian, I have, of course, a great desire to relieve the intellectual plight<br />

prevailing now in Vienna. But my commitments in this country [USA] are now so ramified,<br />

that I could not possibly stay away for a long time.“ Lazarsfeld an Stone, 15. Oktober 1960.<br />

22 Lazarsfeld an Stone, 23. Dezember 1958. Charlotte Bühler schrieb am 23. März 1959 an<br />

Stone einen Brief, worin sie bedauert, wegen einer anderen Verpflichtung an dem Treffen nicht<br />

teilnehmen zu können. Sie erklärt sich darin auch bereit, nach <strong>Wien</strong> zu gehen, ” however, I<br />

would of course have to have a reasonable degree of security and the certainty that this<br />

position is at least to degrees equivalent to what I give up.“ Grant number 63-193, reel 2574,<br />

Ford Foundation.<br />

23 Auf dieses Papier wurde später öfters als ” the document“ Bezug genommen. In ’ Prehistory‘<br />

erläutert Lazarsfeld: ” It is my guess that I wrote this memo as a kind of general<br />

summary for Dr. Stone. I consider it quite possible that he collaborated on the wording and<br />

that I also had the help of some other associates. The style of the memo is somewhat more<br />

formal than I am used to writing.“ Lazarsfeld, Pre-history, wie Anm. 9, 6.<br />

ÖZG 11.2000.1 139

Hurra! Ihre Datei wurde hochgeladen und ist bereit für die Veröffentlichung.

Erfolgreich gespeichert!

Leider ist etwas schief gelaufen!