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Theorien erweiterter Tonalität und vagierender Akkorde

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Arnold Schönberg: Verklärte Nacht op. 4<br />

(T. 41.4) chromatisch mit dem halbverminderten Septakkord h-d-f-a (T. 42.4). Unklar ist jedoch,<br />

mit welcher Stufe Schönberg diesen Akkord bezeichnen würde.<br />

Eher unwahrscheinlich ist es, dass Riemann den Vorhalt c (T. 44.1) als Akkordton eines<br />

halbverminderten Septakkord d-f-as-c ansieht; damit wäre eine Interpretation mit dem nachfolgenden<br />

verminderten Septakkord h-d-f-as (T. 44.2) als trugschlüssige Zwischenkadenz möglich.<br />

Für Schönberg stellen enharmonische Umdeutungen kein Problem dar, deshalb deutet er einfach<br />

das as des verminderten Septakkords h-d-f-as (T. 44.2) zum gis des verminderten Septakkords<br />

gis-h-d-f (T. 44.3) um. Der ganze Takt 44 ist also als verkürzter Doppeldominantseptnonakkord<br />

in d-Moll aufzufassen, nicht nur die zweite Hälfte des Taktes.<br />

Riemann kann in der Harmoniefolge a-cis-e-g – fis-a-c-es (T. 45.3-46) einen Quintfall von<br />

der Doppeldominante zur verkürzten Dominante in g-Moll erkennen; auch für Schenker ist das<br />

möglich, weil er die VII. Stufe als Vertreter der V. Stufe ansieht. Schönberg hingegen könnte<br />

fis-a-c-es (T. 46) aufgr<strong>und</strong> des Nachbildungsprinzips sogar als I. Stufe ohne Gr<strong>und</strong>ton in d-<br />

Moll/D-Dur interpretieren.<br />

Den Übergang vom verminderten Septakkord fis-a-c-es zum übermäßigen Dreiklang b-d-fis<br />

(T. 48/49) deutet Riemann eventuell als authentischen V-I Schluss – jedoch sollte für diese Interpretation<br />

der g-Moll-Dreiklang folgen, da Riemann im übermäßigen Dreiklang b-d-fis die<br />

übermäßige Quint fis als Vorhalt zu g ansieht (welches nicht folgt). Schenker könnte die Harmoniefolge<br />

von Takt 48 auf 49 als leitereigenen Quintfall in d-Moll oder g-Moll betrachten.<br />

Oder, wenn Schenker g (T. 48.2) als Akkordton <strong>und</strong> fis (T. 48.4) als Antizipation ansieht, würde<br />

er den halbverminderten Septakkord a-c-es-g mithilfe der Tonikalisierung deuten, also als verkürzte<br />

Zwischendominante des übermäßigen Dreiklangs b-d-fis interpretieren. Schönberg deutet<br />

die Harmoniefolge fis-a-c-es – b-d-fis (T. 48/49) als VII-III in g-Moll. Für Schönberg ist der<br />

übermäßige Dreiklang auf der III. Stufe die logische Auflösung des verminderten Septakkords<br />

auf der VII. Stufe (Quintfall des F<strong>und</strong>aments). Für diese Interpretation muss Schönberg allerdings<br />

seine Auffassung des verminderten Septakkords als Dominantseptnonakkord ohne Gr<strong>und</strong>ton<br />

wieder verwerfen.<br />

Zusammenfassung<br />

Der Vergleich der <strong>Theorien</strong> Hugo Riemanns, Heinrich Schenkers <strong>und</strong> Arnold Schönbergs an<br />

einem praktischen Beispiel harmonischer Analyse zeigt deutlich: Jede der drei <strong>Theorien</strong> hat ihre<br />

Vorzüge, aber auch Schwachstellen.<br />

In Bezug auf die Darstellung des Harmonieverlaufs bietet Schönbergs Stufenbezeichnung<br />

die größte Übersichtlichkeit. Allerdings ist Schönberg in der Bezeichnung der Stufen nicht einheitlich:<br />

So ist z.B. h-d-f in C-Dur für Schönberg VII. Stufe, h-d-f-as jedoch V. Stufe ohne<br />

Gr<strong>und</strong>ton. Wegen nicht vorhandener Zusätze zu den Stufenzahlen hebt Schönbergs harmonische

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