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Theorien erweiterter Tonalität und vagierender Akkorde

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Vagierende <strong>Akkorde</strong> – Neapolitanischer Sextakkord<br />

Abbildung 148: Tonikalisierung der Dominante von d-Moll <strong>und</strong> Weglassen der d-Moll-Tonika ergibt eine<br />

Kadenz in A-Dur mit phrygischer II. Stufe (vgl. Schenker, Harmonielehre, S. 364-365)<br />

Jedoch ist Schenker der Meinung, dass diese Kadenz in A-Dur halbschlüssig ist, der A-<br />

Durakkord also dominantisch ist <strong>und</strong> nach ihm die d-Moll-Tonika erwartet wird. Dies ist für ihn<br />

auch die Begründung, warum der zweiten phrygischen Stufe b-d-f nach der Dominante vorwiegend<br />

A-Dur folgt, nicht a-Moll 324 : weil A-Dur eigentlich Dominante ist. Der neapolitanische<br />

Sextakkord ist für Schenker also nicht leiterfremde erniedrigte zweite Stufe, sondern leitereigene<br />

sechste Stufe der Unterquint-Tonart d-Moll (welche aber nicht folgt). 325<br />

Schönberg<br />

Schönberg sieht den neapolitanischen Sextakkord – f-as-des in C-Dur <strong>und</strong> c-Moll – als „Stellvertreter<br />

der II.“ Stufe, aber nicht als deren „chromatische Umgestaltung“. 326 Schönberg schließt<br />

offensichtlich die Funktion des neapolitanischen Sextakkords als Vertreter der IV. Stufe aus,<br />

denn er geht – trotz des charakteristischen Vorkommens des neapolitanischen Sextakkords mit<br />

Subdominantgr<strong>und</strong>ton im Bass <strong>und</strong> Verdopplung dieses Tons (Abb. 149) – von der Gr<strong>und</strong>stellung<br />

des-f-as aus: Der Des-Dur-Dreiklang ist leitereigene VI. Stufe in f-Moll (der Tonart der<br />

Mollsubdominante), somit für Schönberg in C-Dur <strong>und</strong> c-Moll eine aus f-Moll entlehnte II.<br />

Stufe. 327<br />

Der neapolitanische Sextakkord löst sich laut Schönberg in die I. <strong>und</strong> V. oder gleich in die V.<br />

Stufe auf 328 (Abb. 149); Schönberg zeigt auch die Weiterführung über vagierende <strong>Akkorde</strong><br />

(Abb. 150).<br />

324 Als Schenker das erste Mal in der Harmonielehre den „phrygischen Zug“ erwähnt, bezeichnet er diesen als<br />

„Eigentum […] des heutigen Moll[systems]“ (ebd., S. 143, Kursivsetzung nicht original); hier, wenn er von der<br />

uns bekannten Kadenz mit dem neapolitanischen Sextakkord spricht, ist plötzlich die Durtonika als Schlussakkord<br />

üblich.<br />

325 Diese Auffassung entspricht im Prinzip Riemanns anfänglicher Meinung vom neapolitanischen Sextakkord als<br />

Leittonwechselklang der Mollsubdominante (vgl. Riemann, Handbuch der Harmonielehre, S. 113 f.).<br />

326 Schönberg, Harmonielehre, S. 282. Schönberg ist gegen die Hypothese mit erniedrigtem Gr<strong>und</strong>ton, sondern<br />

glaubt an die Existenz von zwei verschiedenen Gr<strong>und</strong>tönen auf der II. Stufe: d <strong>und</strong> des. Nur wenn der neapolitanische<br />

Sextakkord durch den verminderten Dreiklang der II. Stufe in Moll oder den Molldreiklang auf der II.<br />

Stufe in Dur erreicht wird, könnte man von „Gr<strong>und</strong>tonerniedrigung“ sprechen (vgl. ebd., S. 283/167 f <strong>und</strong> g).<br />

327 Vgl. ebd., S. 267 f.<br />

328 Der „Quartsextakkord der I. Stufe“, in den der neapolitanische Sextakkord häufig geführt wird, ist natürlich der<br />

kadenzierende Quartsextakkord der Dominante. Zum Quartsextakkord der Tonika in der Kadenz vgl. Schönberg,<br />

Harmonielehre, S. 168 f.<br />

Folgt auf den neapolitanischen Sextakkord gleich die Dominante, bezeichnet dies Schönberg als „Kürzung einer<br />

Wendung durch Weglassung des Wegs“ (vgl. Schönberg, Harmonielehre, S. 423).<br />

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